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88 Die Transformation des Wiener Stadtbildes in der FrĂĽhen Neuzeit
Vorstadtbefestigung ausgehobener Graben aufgedeckt, was zeigt, dass man – zumindest
partiell – durchaus größere Anstrengungen unternahm393. Außerhalb des Schottentores
kam es gegen Ende des 15. Jahrhunderts sogar zu einem gemauerten Ausbau, um den
Bereich der um das Maria-Magdalena-Kloster entstandenen Bebauungszone an der Al-
ser und der Neuburger (heute: Währinger) Straße entsprechend zu schützen. Von einem
durchgehenden, ununterbrochenen Verlauf konnte keine Rede sein. Was im Vordergrund
der Initiative stand, waren in einer Art von Insellösung realisierte Schutzanlagen für die
maßgeblichen Verbauungszonen in den Vorstädten. Es handelte sich also nicht um die
Anlage eines zweiten Befestigungsringes um Wien, sondern um Schutzbauten, die sich in
ihrer Dimension im Wesentlichen an den vorhandenen Wachstumsspitzen dieser vorstäd-
tischen Bereiche orientierten.
Sämtliche Befestigungsanlagen, in Sonderheit die zuletzt beschriebene Vorstadtbefes-
tigung, sollten bei der Ersten Wiener TĂĽrkenbelagerung 1529 schweren Schaden nehmen,
die Anlagen zum Schutz vorstädtischer Verbauungszonen verschwanden damals sogar zur
Gänze. Das nach mancher Krise in den Beziehungen zwischen der Stadt und König Fer-
dinand I. während der 1520er Jahre sich machtvoll in Szene setzende habsburgische Lan-
desfĂĽrstentum war es, das nach der glĂĽckhaften Ăśberwindung der osmanischen Gefahr im
Hinblick auf den Status der vorhandenen Befestigungsanlagen der Stadt energisch die ZĂĽ-
gel in die Hand nahm. Der Ausbau Wiens zur Festungsstadt im 16. Jahrhundert394 war ein
Prozess, der zahlreiche Facetten aufwies, die hier zumindest in Ansätzen zu schildern und
zu bezeichnen sind. Im Vordergrund stand das zielgerichtete Aufgreifen der schon seit dem
späten 15. Jahrhundert in Italien entwickelten neuen Methoden des Befestigungsbaues.
Im Kern handelte es sich dabei um die Errichtung von aus dem Mauerverlauf nach auĂźen
zu vorspringenden Elementen in der Form von Bastionen bzw. Basteien. Diese Anlagen
machten zum einen die aktive Bekämpfung angreifender Feinde möglich, zum anderen
sicherte die auf ihnen zum Einsatz kommende Artillerie durch Sperrfeuer die zwischen
ihnen verlaufenden Abschnitte der Stadtmauer vor der direkten Feindeinwirkung395. Äu-
Ăźerst umfangreich gestalteten sich im Gefolge des bereits ab 1530 eingeleiteten Ausbaus
der Wiener Befestigungen und als Pendant des hierfĂĽr erforderlichen Wissenstransfers
die Beauftragung und der Einsatz italienischer Fachleute bei all den erforderlichen Ar-
beiten. Zugleich – und das kann gar nicht genug betont werden – kam es im Zuge dieser
tiefgreifenden Umgestaltungen zur Entstehung einer in so mancher Hinsicht neuen und
veränderten Sichtweise auf die Stadt, und dies sowohl von außen als auch von innen her.
Identität und Selbstverständnis Wiens erfuhren einen Wandel von einem mittelalterlichen,
bürgerlichen Gemeinwesen zu einer frühneuzeitlichen, fürstlich geprägten Festungs- und
Residenzstadt396, und dies galt auf vielen Ebenen, die nicht stets und zwangsläufig nur
mit dem äußeren Wandel im Gefolge des Befestigungsausbaus zu tun hatten397. Hinzu
393 Vgl. dazu vorläufig Pressemitteilungen, wie etwa die in der Tageszeitung „Der Standard“ von Oona
Kroisleitner: http://derstandard.at/2000013123245/Aelteste-Roemische-Relikte-im-Wiener-Raum-gefunden,
mit Abb. 6, und http://stadtarchaeologie.at/start/ausgrabungen/ausgrabung-rasumofskygasse/.
394 Für den Zeitraum bis in die 1560er Jahre nun eingehend behandelt bei Opll–Krause–Sonnlech-
ner, Wien als Festungsstadt.
395 Vgl. dazu Opll–Krause–Sonnlechner, Wien als Festungsstadt 147–220.
396 Siehe dazu die AusfĂĽhrungen bei Opll, Was ist Wien; ders., Ferdinand I. und seine Stadt Wien.
397 Ohne hier auf diese Phänomene genauer eingehen zu können, ist doch mit Nachdruck darauf zu ver-
weisen, dass Wien in dieser Epoche auch in literarischer Hinsicht zusehends als Gegenstand entdeckt wurde,
und dabei ist etwa auf die erste gedruckte Stadtgeschichte, die „Vienna Austriae“ des Wolfgang Lazius (1546)
Die Transformation des Wiener Stadtbildes um 1700
- Titel
- Die Transformation des Wiener Stadtbildes um 1700
- Autoren
- Ferdinand Opll
- Martin Scheutz
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20856-3
- Abmessungen
- 16.9 x 23.9 cm
- Seiten
- 212
- Schlagwörter
- History, Höfische Netzwerke, Wien, Kartografie, Stadtentwicklung, Karten, Reichshofrat, Europäische Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen