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90 Die Transformation des Wiener Stadtbildes in der Frühen Neuzeit
fiel ihnen die Aufgabe zu, die über den Stadtgraben zum Stadttor führenden Brücken
besser zu schützen, und genau solches zeigt uns auch die Andermüllersche Vogelschau vor
dem Kärntner Tor und vor dem Schottentor, während die Brücke über den Stadtgraben
vor dem Stubentor bloß eine von der Hauptbrücke abzweigende Verbindung hin zum
Ravelin aufweist. Wie das Wiener Beispiel zeigt, kam diese Methode freilich nicht durch-
gehend zur Anwendung, sondern diese Ravelins bildeten insbesondere ein die Befesti-
gungsanlagen der Stadt nach außen hin ergänzendes System. Die ältesten Nachrichten
haben sich für den Bau der Judenschanze vor der Biberbastei erhalten, die 1602 errichtet
wurde404. Vielleicht noch aus derselben Zeit stammt der Augustinerravelin405 zwischen
Kärntner Bastei und Burgbastei. Weitere Initiativen sind ab dem zweiten Viertel des 17.
Jahrhunderts zu greifen, wobei die Anlagen nicht selten zunächst aus aufgeschüttetem
Erdwerk bestanden und erst später ummauert wurden. Spätestens in den 1670er Jahren
waren in Summe elf derartiger Ravelins (Abb. 17) vorhanden, wie sie dann auf Plänen
aus der Zeit der Zweiten Wiener Türkenbelagerung gut zu fassen sind406 und auch von
Andermüller in seine Ansicht eingefügt wurden. Ihre Namen werden auf Plänen erwähnt,
lassen sich freilich auch aus anderen Überlieferungen rekonstruieren407: Beginnend vom
Kärntner Tor nach Westen (= im Uhrzeigersinn) schützten Wien somit (1) der vor dem
gleichnamigen Tor gelegene Kärntner Ravelin408 (errichtet 1673), (2) der Augustinerra-
velin409 (vielleicht schon im frühen 17. Jahrhundert entstanden), (3) der Burgravelin410
zwischen Burg- und Löwelbastei (errichtet 1639‒1659), (4) die Ziegelschanze bzw. der
Melkerravelin411 (errichtet 1656), (5) der Schottenravelin412 außerhalb des Schottentors
(errichtet 1625, ummauert 1647), (6) der Neutorravelin413 zwischen Elend- und Neutor-
404 Art. Judenschanze. Wien Geschichte Wiki.
405 Art. Augustinerravelin. Wien Geschichte Wiki.
406 Zu verweisen ist insbesondere auf den Plan von Daniel Suttinger (siehe unten Anhang, 3, S. 165
Nr. 16). Daneben gibt es selbstverständlich weitere Plandokumente, die hier anzuführen sind, darunter etwa
(1) der erst 2011 aus einem belgischen Auktionshaus erworbene Befestigungsplan eines nicht weiter bekannten
Johann Georg Fischer von ca. 1683 (siehe Anhang 3, unten S. 164f. Nr. 14), (2) der ebenfalls im Handel
erworbene italienische Plan im WStLA mit dem Titel VIENNA ASSEDIATA DA TVRCHI E LIBERATA DA
CHRISTIANI, der sich durch eine reichhaltige Legende auszeichnet (siehe Anhang 3, unten S. 165 Nr. 15) und
(3) ein in Budapest überlieferter Stadtplan der Zeit um 1690 (siehe Anhang 3, unten S. 165f. Nr. 17).
407 Zu den folgenden Angaben siehe die vom Art. Stadtbefestigung. Wien Geschichte Wiki ausgehenden
Verweise: „Abfolge der Ravelins oder Schanzen: Judenschanze, Biberravelin (Biberschanze), Stubenschanze,
Dachslochschanze, Kärntner Ravelin (Kärntner Schanze), Augustinerravelin, Burgravelin, Ziegelschanze,
Schottenravelin (Schottenschanze), Neutorravelin (Neutorschanze), Wasserschanze.“
408 Auf dem Wien-Plan von 1683/84 (unten Anhang 3, S. 165 Nr. 15) heißt er Rivellino di Carintia, auf
dem Wien-Plan von ca. 1690 (unten Anhang 3, S. 165f. Nr. 17) (Parmula) Carintiana, und die vom Kärntner
Tor ausgehende Brücke über den Stadtgraben führt auf beiden Plänen direkt zu ihm hin.
409 Auf dem Wien-Plan von 1683/84 (unten Anhang 3, S. 165 Nr. 15) heißt er Rivellino degl’Agustiniani
(Die dafür vergebene Nr. 47 fehlt allerdings auf dem Plan!), auf dem Wien-Plan von ca. 1690 (unten Anhang
3, S. 165f. Nr. 17) (Parmula) Augustiniana.
410 Auf dem Wien-Plan von 1683/84 (unten Anhang 3, S. 165 Nr. 15) heißt er Rivellino fra li baluardi di
Corte, et leble (= zwischen der Burg- und der Löwelbastei), auf dem Wien-Plan von ca. 1690 (unten Anhang 3,
S. 165f. Nr. 17) (Parmula) Aulica (= Hofravelin).
411 Auf dem Wien-Plan von 1683/84 (unten Anhang 3, S. 165 Nr. 15) heißt er Rivellino Melch, auf dem
Wien-Plan von ca. 1690 (unten Anhang 3, S. 165f. Nr. 17) (Parmula) Leonina (= Löwelravelin).
412 Auf dem Wien-Plan von 1683/84 (unten Anhang 3, S. 165 Nr. 15) heißt er Rivellino del Scioten, auf
dem Wien-Plan von ca. 1690 (unten Anhang 3, S. 165f. Nr. 17) (Parmula) Scotensis, und die vom Schottentor
ausgehende Brücke über den Stadtgraben führt auf beiden Plänen direkt zu ihm hin.
413 Auf dem Wien-Plan von 1683/84 (unten Anhang 3, S. 165 Nr. 15) heißt es hier Porta Nova el suo
Rivellino, auf dem Wien-Plan von ca. 1690 (unten Anhang 3, S. 165f. Nr. 17) Parmula nouę portę.
Die Transformation des Wiener Stadtbildes um 1700
- Titel
- Die Transformation des Wiener Stadtbildes um 1700
- Autoren
- Ferdinand Opll
- Martin Scheutz
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20856-3
- Abmessungen
- 16.9 x 23.9 cm
- Seiten
- 212
- Schlagwörter
- History, Höfische Netzwerke, Wien, Kartografie, Stadtentwicklung, Karten, Reichshofrat, Europäische Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen