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108 Die Transformation des Wiener Stadtbildes in der FrĂĽhen Neuzeit
lige Palastbau479 in den Vorstädten bzw., um es auch aus kunsthistorischer Sicht genauer
zu präzisieren, das barocke Gartenpalais des Adels. Freilich ist nicht zu übersehen, dass
es der Hof war, der hier voranging und die ersten Schritte setzte480. Hatte für das späte
Mittelalter fĂĽr den LandesfĂĽrsten noch das deutlich von der Stadt abgerĂĽckte Schloss
Laxenburg481 die auĂźerhalb der Stadt gelegene Residenz der Habsburger bezeichnet und
lässt sich die Vorliebe für weiter außerhalb gelegene Sommersitze bzw. Jagdschlösser noch
fĂĽr das 16. Jahrhundert belegen482, so setzte der Monarch im 17. Jahrhundert mit der
Errichtung der „Favorita“ außerhalb der Vorstadt Wieden nach Plänen von Giovanni
Battista Carlone (1640/42–1718/21) einen zukunftsweisenden, neuen Schritt (Abb. 26).
Gewählt hatte man dafür eine Stelle, wo bereits 1614 kaiserlicher Besitz begründet wor-
den war, und knapp drei Jahrzehnte später (ab 1642) entstand hier ein erstes barockes
Gartenpalais483. Praktisch an der gegenĂĽberliegenden Seite der Stadt hatte sich gleichfalls
1614 Kaiser Matthias im Bereich der Donauauen etwas auĂźerhalb der verbauten Zonen
des Unteren Werds ein Jagdschlösschen errichten lassen, das unter Ferdinand III. durch
Anlage eines zunächst nicht sehr umfangreichen Gartens ergänzt wurde. Unter Nutzung
eines 1677 von der Familie Trautson erworbenen Lustgebäudes von 1654 erfolgte nach
weiteren Erweiterungen des Areals durch Zukäufe die Gestaltung eines umfangreichen
Lustgartens – die „kaiserliche Favorita“, das spätere Augartenpalais (Abb. 27)484 entstand.
Der Adel selbst, aus dessen Reihen sich die um den kaiserlichen Hof sowohl institu-
tionell als auch räumlich konzentrierte Hofgesellschaft der Barockzeit rekrutierte, ver-
fügte – wie dies aus verschiedenen Nachrichten über Grundstücksverkäufe abzulesen ist,
im Vorstadtbereich ebenfalls ĂĽber Besitzungen. Die groĂźe Zeit der Errichtung barocker
Adelspalais, wie sie innerhalb der Stadtmauern schon vor 1683 eingesetzt hatte485, folgte
im Raum der Vorstädte erst nach der glückhaften Abwehr des osmanischen Ansturms.
Dabei ging es nicht selten um regelrechte Gartenpalais, bei denen die Verquickung von
Architektur und Gartenkunst das maĂźgebliche Spezifikum bildete, der Garten freilich
je nach Lage auch durchaus bescheidener ausfallen konnte. Ohne hier ein lĂĽckenloses
Verzeichnis486 sämtlicher einschlägiger Bauten des Adels in den Wiener Vorstädten vor-
zulegen, sei doch anhand einiger ausgewählter Beispiele auf die ungeheure Intensivierung
479 Wichtige ökonomische Aspekte dieser Entwicklungen beleuchtet Pircher, Verwüstung. Zu den
Adelspalais in den Vorstädten Wiens vgl. auch die bei Haider, Verlorenes Wien 81‒187, gebotenen Beispiele.
480 Dieses gesellschaftlich geschichtete Phänomen der Nachahmung von Verhaltensweisen im Bereich der
Repräsentation und des Repräsentativen lässt sich in der zeitlichen Abfolge entsprechend später dann durchaus
auch im Verhältnis zwischen Adel und gehobenem Bürgertum nachweisen.
481 Weiterführende Hinweise dazu im Art. Laxenburger Schloss. Wien Geschichte Wiki; Springer–Haf-
ner–Heidenreich–Platt, Laxenburg. Juwel vor den Toren Wiens.
482 Zu nennen sind dabei Bauten wie das Neugebäude im Osten oder auch die Katterburg als Vorläuferin
des Schlosses Schönbrunn im Südwesten Wiens, vgl. dazu die Art. Neugebäude und Schloss Schönbrunn. Wien
Geschichte Wiki.
483 Vgl. dazu den Art. Theresianische Akademie. Wien Geschichte Wiki. Die älteste bekannte Ansicht zeigt
der Scolari-Plan von ca. 1670 (Favorita), siehe unten Anhang 3, S. 164 Nr. 11. Auf der SĂĽdansicht Wiens des
Georg Matthäus Vischer von 1672 ist sie ebenfalls im Bild wiedergegeben und sogar in der Legende unter Nr. 6
eigens genannt, siehe May, Wien in alten Ansichten Tafel 12a, und auch in Prämers „Architecturischer Schau-
platz“, vor 1680, findet sich eine bildliche Wiedergabe, vgl. Das barocke Wien 17 Nr. 20.
484 Art. Augarten. Wien Geschichte Wiki. Eine frĂĽhe Ansicht zeigt der Scolari-Plan von ca. 1670 (nova
Favorita), siehe unten Anhang 3, S. 164 Nr. 11.
485 Siehe dazu oben S. 80–84.
486 Abermals sei hier wie schon oben S. 80 Anm. 355 der Verweis auf die „Liste der Palais in Wien“ (siehe:
https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Palais_in_Wien) geboten.
Die Transformation des Wiener Stadtbildes um 1700
- Titel
- Die Transformation des Wiener Stadtbildes um 1700
- Autoren
- Ferdinand Opll
- Martin Scheutz
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20856-3
- Abmessungen
- 16.9 x 23.9 cm
- Seiten
- 212
- Schlagwörter
- History, Höfische Netzwerke, Wien, Kartografie, Stadtentwicklung, Karten, Reichshofrat, Europäische Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen