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122 Die Transformation des Wiener Stadtbildes in der Frühen Neuzeit
Die hier in der eher statischen Form der Momentaufnahme angedeutete Dynamik des
Siedlungsausbaus kommt noch viel markanter in zwei Grundrissplänen zum Ausdruck,
die aus den 1730er Jahren stammen und für eine Fortsetzung des von uns geschilderten
Transformationsprozesses weiter in das 18. Jahrhundert hinein von grundlegender Be-
deutung sind. In beiden Fällen stehen aus der Sichtweise des jeweiligen Entstehungsjah-
res „neue“ Bauwerke im Mittelpunkt des Interesses. Aus dem Jahr 1736 stammt ein im
Wiener Stadt- und Landesarchiv vorhandener, anonymer Plan in Form einer kolorierten
Federzeichnung, der seine Grundlage ganz deutlich vom Anguissola–Marinoni-Plan von
1706 her bezieht, dabei aber vor allem auf die neu entstandenen Bauten aufmerksam
macht. In der oberen rechten Ecke wird der Plan bezeichnet als: Neu Accurat und corrigir-
ter Plan von der Kayserl. Haubt und Residentz Stadt Wienn, wie solcher nicht nur allein mit
denen Vorstädten, sondern auch die Bastionen der Fortification in Perspectiv gestellet worden,
und so in dem 1736 Jahr neu gefundene Kirchen und Plätze zu sehen531. In der gegenüberlie-
genden Ecke des Blattes links unten befindet sich eine Legende, deren Überschrift den ei-
gentlichen Zweck des gesamten Plans erläutert. Es heißt dort nämlich: Explication derer in
diesen Haubt Plan befindlichen Gebäuden, Kirchen und Clöster, auch was von Anno 1706 bis
auf das Jahr 1736 verändert worden. Daraus ergibt sich völlig eindeutig, dass hier dreißig
Jahre nach dem Anguissola–Marinoni-Plan eine neue Aufnahme die in der Zwischenzeit
eingetretenen Veränderungen dokumentieren und herausstellen sollte. Angeführt werden
insgesamt 22 Objekte, wobei diese nicht nur Großbauten, wie etwa die Leopoldstädter
Kaserne (Neue Casarme in der Leopoldstadt)532, die Neue Kirche im Lichten Thal533 oder Die
Neue Kay(ser)l(iche) Stallung534, sondern auch deutlich kleinere Objekte, etwa den Neue
Brunen auf dem Hoff umfassen (Abb. 40).
Ohne hier im Einzelnen auf diese Veränderungen einzugehen, denn solches würde
den chronologischen Rahmen für die vorgelegten Ausführungen doch zu deutlich über-
schreiten, sei doch zuletzt noch auf ein weiteres Plandokument ganz ähnlichen Zuschnitts
hingewiesen, das nicht in Wiener Sammlungen, sondern im Generallandesarchiv Karls-
ruhe535 überliefert ist. Die kolorierte Federzeichnung stammt aus dem Jahre 1740, ist
ebenfalls nach dem Vorbild des Werks von Anguissola–Marinoni geostet und nennt in
seiner prachtvoll ausgeführten Kartusche nicht nur den Verfasser, sondern auch einen
Titel: NEU / Accurat Vermert, und VollKommener / PLAN / von der Kays. Haubt und Re-
sidentz Stadt / WIENN / Sambt dennen Vorstötten / und Linien / Anno MDCCXL / Ioannes
Weingartner / Ingenieur Fecit. Nicht nur im Hinblick auf den gewählten Blattschnitt und
die Orientierung nach Osten, sondern auch im Hinblick auf den am oberen Blattrand
befindlichen Titel als Accuratissima Viennæ Austriæ Ichnographica Delineatio gibt sich der
Plan als getreue Kopie des ersten Plans der Wiener Vorstädte aus dem Jahre 1706536. Was
ihn freilich von seinem zu 1736 datierten Vorgänger im Wiener Stadt- und Landesarchiv
531 Siehe dazu unten Anhang 3, S. Nr. 23.
532 Art. Leopoldstädter Kaserne. Wien Geschichte Wiki. Zum Wiener Kasernenbau seit dem 18. Jahrhun-
dert vgl. Czeike, Kasernen 161‒190.
533 Art. Lichtentaler Kirche. Wien Geschichte Wiki.
534 Art. Hofstallgebäude. Wien Geschichte Wiki.
535 Dass sich in Karlsruhe eine stattliche Anzahl von Wien-Betreffen in den dort verwahrten Karten und
Plänen finden lassen, hängt mit einer Reihe letztlich auch persönlicher Beziehungen zwischen dem habsbur-
gischen Hof und der katholischen Linie der badischen Markgrafen (Haus Baden-Baden) zusammen, vgl. dazu
die Hinweise bei Opll–Krause–Sonnlechner, Wien als Festungsstadt 68–71.
536 Unten Anhang 3, S. 168 Nr. 24.
Die Transformation des Wiener Stadtbildes um 1700
- Titel
- Die Transformation des Wiener Stadtbildes um 1700
- Autoren
- Ferdinand Opll
- Martin Scheutz
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20856-3
- Abmessungen
- 16.9 x 23.9 cm
- Seiten
- 212
- Schlagwörter
- History, Höfische Netzwerke, Wien, Kartografie, Stadtentwicklung, Karten, Reichshofrat, Europäische Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen