Seite - 127 - in Die Transformation des Wiener Stadtbildes um 1700
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ResĂĽmee 127
Gepräge aufweist und sich damit vom Bild, das uns Jacob Hoefnagel hundert Jahre zuvor
bietet, noch nicht maĂźgeblich unterscheidet.
Für Andermüllers Initiative lässt sich kein Auftrag, etwa der Fürsten von Anhalt, solch
eine Darstellung anzufertigen, nachweisen. Es gibt auch keinen Hinweis darauf, dass er
die Vogelschau jemandem zu präsentieren bzw. widmen gedachte oder gar an eine Veröf-
fentlichung im Druck dachte. Zwei kausale Erklärungsstränge der Anlage dieser Vogel-
schau durch den Dessauer Amtsträger sind denkbar:
(1) Andermüller verbildlichte in seiner Vogelschau das Netzwerk der Reichshofräte
und Entscheidungsträger in der am Reichshofrat anhängigen sachsen-lauenburgischen
Erbschaftsfrage, auf die er sich bezogen hatte und sich sein kĂĽnftiger Amtsnachfolger
in Wien in Zukunft stützen konnte. Eine der Haupttätigkeiten des Dessauer Gesandten
bestand neben dem Verfassen von Eingaben im ständigen und arbeitsintensiven Anti-
chambrieren sowohl in den Stadtwohnungen der Reichshofräte (und anderer Entschei-
dungsträger des Kaiserhofes) als auch in den vorstädtischen Gartenpalais. Die Anwesen-
heitsgesellschaft des Kaiserhofes verlangte ständige Präsenz und ein subtiles, heute als
Bestechung zu nennendes finanzielles UnterfĂĽttern der gestellten schriftlichen Eingaben.
Präzis vermerkt der Plan Orte des Kontaktes und der informellen Entscheidungsfindung
des Kaiserhofes (Geheime Konferenz, Hofämter) auf der Vogelschau. Andermüller ver-
fügte über gute Voraussetzungen für das Geschäftsfeld eines Gesandten. Er sprach meh-
rere Sprachen (Deutsch, Französisch, Italienisch, Latein, Griechisch, Hebräisch); „Sein
hurtiger Geist / sein offener Kopff und schöne Feder / oder Schreibart“541 – so die Diktion
der Leichenpredigt –, aber auch die angetretene „Kavalierstour“ nach Italien zeugen von
einem guten Verwaltungsfachmann, der einen wachen Blick fĂĽr Netzwerke gehabt haben
muss, wollte er Anliegen seines FĂĽrsten durchsetzen.
(2) GroĂźe Wahrscheinlichkeit hat aber auch fĂĽr sich, dass AndermĂĽller mit seinem
Wien-Bild – und darauf weisen trotz des Fehlens einer regelrechten Widmung insbeson-
dere die so ausgesprochen prachtvolle graphische Gestaltung wie auch das GroĂźformat
– doch auch seine Ergebenheit und Reverenz gegenüber seinem Fürstenhaus dinglich zum
Ausdruck bringen wollte. Bei der Anfertigung muss das repräsentative Blatt in jedem Fall
plan gewesen sein, sonst hätten die Einzeichnungen entlang der jetzigen senkrechten Fal-
tung nicht so gut ausgeführt werden können. Die Faltung erfolgte sicherlich erst nach Ab-
schluss der Zeichnung. Leider konnte die Forschung bislang nicht eruieren, auf welchen
Wegen der Andermüller-Plan in die „Öffentlichkeit“ und damit später in die Königliche
Bibliothek in BrĂĽssel gelangt ist.
Das Bildwerk des Bernhard Georg AndermĂĽller ist somit einer eingehenden Autop-
sie zu unterziehen542. DarĂĽber hinaus bietet sie aber einen entscheidenden AnstoĂź dafĂĽr,
sich den Phänomenen der Veränderung des Wiener Stadtbildes um 1700 eingehender, als
dies bisher geschehen ist, zu widmen. Die VerfĂĽgbarkeit des Czeikeschen Wien Lexikon
in Form des redaktionell betreuten Wien Geschichte Wiki auf der Homepage des Magist-
rats der Stadt Wien, eine jahrzehntelange Beschäftigung mit der Stadtgeschichte Wiens,
in Sonderheit im Hinblick auf räumliche Komponenten derselben, aber natürlich auch
hinsichtlich eines GesamtĂĽberblicks, die in jĂĽngster Zeit nachhaltig intensivierte Aufar-
beitung bildlicher Überlieferungen zu Wien ab dem 16. Jahrhundert und die bewährte
Kooperation zwischen den beiden Autoren – all dies hat einen Stand der Forschung ent-
541 Trauer- und Gedächtnuß-Rede 10.
542 Siehe dazu oben S. 53–61 und unten Anhang 1 und 2, S. 131–133 sowie S. 135–161.
Die Transformation des Wiener Stadtbildes um 1700
- Titel
- Die Transformation des Wiener Stadtbildes um 1700
- Autoren
- Ferdinand Opll
- Martin Scheutz
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20856-3
- Abmessungen
- 16.9 x 23.9 cm
- Seiten
- 212
- Schlagwörter
- History, Höfische Netzwerke, Wien, Kartografie, Stadtentwicklung, Karten, Reichshofrat, Europäische Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen