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28 Einleitung
tigungserscheinungen einer propagandistischen und apologetischen Kriegsgeschichts-
schreibung“ blieb
– wie Oswald Überegger überzeugend darlegt
– die traditionelle Mi-
litärgeschichte noch bis in die 1960er-Jahre „verpönt und […] negativ konnotiert“.35
Die in den 1990er-Jahren in Österreich einsetzende Forschung litt
– und leidet immer
noch – an der meist „fast zur Gänze fehlenden Grundlagenforschung“36 zu kriegs-
alltags- uns mentalitätsgeschichtliche Aspekten des Ersten Weltkrieges. So nimmt es
nicht wunder, dass die Kriegsopferversorgung in all den genannten Studien, die den
Krieg als Phänomen zum Inhalt haben, allerhöchstens ein thematisches Randdasein
führt.
Kriegsfolgen. Anders verhält es sich mit Studien, die stärker auf die Folgen des Krie-
ges, jenseits seiner politischen Konsequenzen, fokussieren, Studien also, die die Trans-
formation der Gesellschaft in eine Friedensgesellschaft in den Blick nehmen. Es ist
kein Zufall, dass gerade die historiografische Beschäftigung mit der Nachkriegszeit
des Ersten Weltkriegs, mit der Bewältigung der Kriegsfolgen und all der notwendigen
Transformationen infolge dieses Ereignisses heute oft gerade entlang der Kriegsopfer-
versorgung geschieht.37 Veröffentlichungen im Gesamtzusammenhang der Kriegsfol-
genforschung richten ihren Fokus aber auch oft stark auf die Frage des Umgangs mit
dem Kriegstod, die Entstehung von Erinnerungskulturen sowie der ihnen eingeschrie-
benen Kriegsdeutungen.38 Sie stellen die inneren Veränderungen der Staaten Europas
vor dem Hintergund der Massenmobilisierung und sozioökonomischen Modernisie-
35 Oswald Überegger, Vom militärischen Paradigma zur „Kulturgeschichte des Krieges“ ? : Entwicklungs-
linien der österreichischen Weltkriegsgeschichtsschreibung im Spannungsfeld militärisch-politischer
Instrumentalisierung und universitärer Verwissenschaftlichung, in : Oswald Überegger (Hg.), Zwischen
Nation und Region. Weltkriegsforschung im interregionalen Vergleich. Ergebnisse und Perspektiven
(= Tirol im Ersten Weltkrieg : Politik, Wirtschaft und Gesellschaft 4), Innsbruck 2004, S. 64–122, hier
S. 94 und S. 95.
36 Überegger, Vom militärischen Paradigma, S. 109.
37 Ein anschauliches Beispiel dafür ist die Aufnahme eines entsprechenden Textes in das Themenheft der
Militärgeschichtlichen Zeitschrift ; siehe Sabine Kienitz, Der Krieg der Invaliden. Helden-Bilder und
Männlichkeitskonstruktionen nach dem Ersten Weltkrieg, in : Militärgeschichtliche Zeitschrift, 60
(2001) 2 : Nach-Kriegs-Helden, S. 367–402 ; siehe auch die Beiträge im Themenheft von Geschichte
und Gesellschaft. Zeitschrift für Historische Sozialwissenschaft, 9 (1983) 2 : Die Organisierung des
Friedens : Demobilmachung 1918–1920, hg. v. Wolfgang J. Mommsen : Michael Geyer, Ein Vorbote des
Wohlfahrtsstaates. Die Kriegsopferversorgung in Frankreich, Deutschland und Großbritannien nach
dem Ersten Weltkrieg, S. 230–277 ; Antoine Prost, Die Demobilmachung in Großbritannien nach dem
Ersten Weltkrieg, S. 178–194 ; David Englander, Die Demobilmachung in Großbritannien nach dem
Ersten Weltkrieg, S. 195–210. Grundlegende Überlegungen zu Nachkriegsgesellschaften – wenn auch
vorrangig zu jener nach 1945 – finden sich bei Klaus Naumann (Hg.), Nachkrieg in Deutschland, Ham-
burg 2001.
38 Vgl. z. B. die Aufsätze im Sammelband Joerg Duppler/Gerhard P. Groß (Hg.), Kriegsende 1918. Ereig-
nis, Wirkung, Nachwirkung (= Beiträge zur Militärgeschichte 53), München 1999.
Die Wundes des Staates
Kriegsopfer und Sozialstaat in Österreich 1914–1938
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die Wundes des Staates
- Untertitel
- Kriegsopfer und Sozialstaat in Österreich 1914–1938
- Autoren
- Verena Pawlowsky
- Harald Wendelin
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79598-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 586
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918