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Nach 1918
Die Wundes des Staates - Kriegsopfer und Sozialstaat in Österreich 1914–1938
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38 Einleitung ins Zentrum der hier verhandelten Fragen, geht es in dieser Studie doch gerade um den Prozess der Definition und Normsetzung, der eine Gruppe als solche erst herstellt. Dieser Prozess  – nie endgültig abgeschlossen  – lässt sich historisch unter anderem am wechselnden Gebrauch der Worte ablesen, die Gruppen jeweils ein- oder ausschlossen.82 Gegenstand dieser Studie sind Kriegsbeschädigte, ihre Angehörigen und die Hin- terbliebenen gefallener Soldaten. Die Verwendung des Sammelbegriffes Kriegsopfer für diese Gruppe ist nicht unüblich, wenngleich historisch relativ jung. Sie setzte sich erst in den späten 1920er-Jahren durch.83 Im Ersten Weltkrieg und in den Jahren unmittelbar danach waren im deutschen Sprachraum andere Ausdrücke gebräuchlich. So wurde in juristischen Texten von Invaliden, in anderen offiziellen Texten meist von Kriegsbeschädigten84 und Kriegsinvaliden gesprochen. In populären Texten fin- den sich auch die drastischeren Bezeichnungen Kriegskrüppel, Kriegsverletzte oder Kriegsverstümmelte. Die Hinterbliebenen benannte man konkret und sprach von Kriegerwitwen und Kriegswaisen (Kinder, die zwar noch eine Mutter, aber keinen Va- ter mehr hatten). Der Bedarf nach einem Begriff, der Beschädigte und Hinterbliebene gemeinsam umfasst hätte, bestand noch nicht. Der älteste Begriff ist der des Invaliden. Er entstammt der militärischen Sprache und ist wörtlich zu verstehen : Invalid ist jener Soldat, der  – infolge einer körperlichen Beeinträchtigung schwach, krank und hinfällig  – für militärische Zwecke wertlos und für den Militärdienst untauglich geworden ist.85 Invalidität meinte ursprünglich also den Verlust der Wehrfähigkeit. Es war allein Sache des Militärs zu erheben, wer in- valid und für den Militärdienst nicht mehr zu gebrauchen war. In der österreichisch- ungarischen Armee waren es die sogenannten Superarbitrierungskommissionen, mi- litärärztliche Gremien, die gegebenenfalls die Dienstuntauglichkeit eines Mannes feststellten und die Entlassung des invaliden Soldaten aus dem Militärverband einlei- teten. An den zentralen juristischen Normen lässt sich der Gebrauch des Wortes „In- valider“ und schließlich die Abkehr von diesem Begriff nach 1918 ablesen. Während im Militärversorgungsgesetz (MVG) von 1875 und auch in den übrigen einschlägigen Gesetzen und Verordnungen86 der Monarchie ausschließlich diese Bezeichnung ver- 82 Es geht im Folgenden um die teilweise spezifisch österreichische Begriffsgeschichte. 83 Für Deutschland : Karin Hausen, Die Sorge der Nation für ihre „Kriegsopfer“. Ein Bereich der Ge- schlechterpolitik während der Weimarer Republik, in : Jürgen Kocka (Hg.), Von der Arbeiterbewegung zum modernen Sozialstaat. Festschrift für Gerhard A. Ritter zum 65. Geburtstag, München-London- Paris 1994, S.  719–739, hier S.  725. 84 Manchmal auch Kriegsgeschädigte, dieser Begriff wird in der Bezeichnung des 1919 eingerichteten Kriegsgeschädigtenfonds verwendet ; StGBl 1919/573. 85 RGBl 1875/158, § 72 : „[…] invalid, d. h. zu allen Militärdiensten für immer untauglich“. 86 Vgl. Kapitel 2.
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Die Wundes des Staates Kriegsopfer und Sozialstaat in Österreich 1914–1938
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Die Wundes des Staates
Untertitel
Kriegsopfer und Sozialstaat in Österreich 1914–1938
Autoren
Verena Pawlowsky
Harald Wendelin
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2015
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-79598-8
Abmessungen
17.0 x 24.0 cm
Seiten
586
Kategorien
Geschichte Nach 1918
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