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Die Wundes des Staates - Kriegsopfer und Sozialstaat in Österreich 1914–1938
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42 Einleitung soziale Leistungen und schuf so eine klar umgrenzte Gruppe von Begünstigten. Wer nun anspruchsberechtigter Kriegsbeschädigter wurde, war aber genauso Sache der Definition wie die Frage, wer bisher militärdienstuntauglicher Invalide gewesen war. „Der anerkannte Invalide war“, wie Michael Geyer schreibt, „nur zum Teil ein Produkt des Krieges. Er war ebenso ein Produkt der Gesetzgebung und der Vorstellung von Experten über die Gesundheit des Einzelnen und der Gesellschaft.“102 Das Invali- denentschädigungsgesetz steckte den Rahmen ab und medizinische Gutachter  – nach dem Krieg waren es Zivilisten, und keine Militärärzte mehr  – erhielten entscheidende Definitionsmacht, indem sie im Einzelfall bestimmten, wer zur Gruppe der Kriegsbe- schädigten gehörte. Wer als kriegsbeschädigt galt, unterlag damit wechselnden Aus- legungen und enthielt verschiedene normative wie auch gesellschaftliche Zuschrei- bungen. Der subjektive Zustand, kriegsbeschädigt zu sein, war ebenfalls von diesen Fremdzuschreibungen beeinflusst. Es scheint sogar so zu sein, dass erst der Anspruch auf staatliche Unterstützung den Kriegsbeschädigten herstellte und sich dieser erst in seinem Kampf um staatliche Leistungen als Kriegsbeschädigter begriff.103 Kriegsbe- schädigter zu sein, hieß also ganz wesentlich, eine Rolle gegenüber dem Staat einzu- nehmen. Auch die Hinterbliebenen hatten Anspruch auf Unterstützung, und dieser Anspruch war seit 1919 bezeichnenderweise im selben Gesetz geregelt wie jener der Kriegsbe- schädigten.104 Darin drückt sich deutlich aus, dass hier eine Gruppe geschaff en wurde  – eine Gruppe, die es in dieser Form zuvor nicht gab, weshalb Kriegsbeschädigte und Kriegshinterbliebene im Krieg noch ganz selbstverständlich mit verschiedenen Aus- drücken bedacht wurden. Sie waren da  – wie Karin Hausen schreibt  – eben noch nicht „zu einer einzigen Fürsorgeklientel zusammengefaßt“105 gewesen. Nun kam aber zur großen Gruppe der kriegsbeschädigten Männer die deutlich weiblich dominierte Gruppe der Hinterbliebenen hinzu. Freilich hatte sich diese Entwicklung bereits an- gekündigt. Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts war anerkannt, dass die Unterstützung von Kriegsbeschädigten auch die Unterstützung der Angehörigen umfassen musste. 102 Michael Geyer, Ein Vorbote des Wohlfahrtsstaates. Die Kriegsopferversorgung in Frankreich, Deutsch- land und Großbritannien nach dem Ersten Weltkrieg, in : Geschichte und Gesellschaft. Zeitschrift für Historische Sozialwissenschaft, 9 (1983) 2, S.  230–277, hier S.  233f. 103 Der Entschädigungsanspruch wurde  – wie es Leeds für Veteranen allgemein formulierte  – zur „Münze“, mit der ehemalige Kriegsteilnehmer und Zivilisten ihre Differenzen aushandelten ; Eric J. Leed, No Man’s Land. Combat and Identity in World War I, Cambridge u. a. 1979, S.  208. 104 Dass ein und dasselbe Gesetz Kriegsbeschädigten und Kriegshinterbliebenen Leistungen zuspricht, war übrigens auch schon im Entwurf zum nie in Kraft getretenen Militärversorgungsgesetz von 1918 konzipiert gewesen. 105 Hausen, Die Sorge der Nation für ihre „Kriegsopfer“, S.  725.
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Die Wundes des Staates Kriegsopfer und Sozialstaat in Österreich 1914–1938
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Die Wundes des Staates
Untertitel
Kriegsopfer und Sozialstaat in Österreich 1914–1938
Autoren
Verena Pawlowsky
Harald Wendelin
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2015
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-79598-8
Abmessungen
17.0 x 24.0 cm
Seiten
586
Kategorien
Geschichte Nach 1918
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