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46 Einleitung
Der Vollständigkeit halber sei darauf verwiesen, dass Hinterbliebene nicht die ein-
zigen Zivilisten unter den Kriegsopfern waren. Einerseits durften seit dem Kriegsleis-
tungsgesetz von 1912116 männliche Zivilisten zu persönlichen Dienstleistungen für
Kriegszwecke herangezogen werden, und andererseits konnten sich Personen freiwillig
in den Dienst der Heeresverwaltung stellen, wie das bei den im Sanitätsdienst oder
als weibliche Hilfskräfte im Felde tätigen Frauen der Fall war. Wenn diese Personen
zu Schaden kamen, galten für sie dieselben Regelungen wie für kriegsbeschädigte
Soldaten.117 Daneben gab es auch die sogenannten Zivilkriegsbeschädigten, Perso-
nen des Zivilstandes, die ohne selbst an militärischen Operationen beteiligt gewesen
zu sein, durch solche Operationen zu Schaden gekommen waren. Das entsprechende
Gesetz, das diese Gruppe in die Versorgung miteinbezog, wurde erst Ende 1917 erlas-
sen.118 Das Invalidenentschädigungsgesetz von 1919 setzte den separaten Regelungen
schließlich ein Ende, indem es von Vornherein für Soldaten, Kriegsdienstleister, frei-
willig Dienstleistende und Zivilkriegsbeschädigte gleichermaßen galt.119 Die Haupt-
gruppen blieben aber freilich Kriegsbeschädigte und Kriegshinterbliebene.
1.2.1 Gesundheitsschäden
Kriegsbeschädigung schien vor allem anderen den sichtbaren Verlust eines Körperteils
zu bedeuten. Bürokratie und Gesellschaft waren gleichermaßen von dieser Vorstellung
116 RGBl 1912/236.
117 „Gleich den Kriegsbeschädigten sind jene zu persönlichen Dienstleistungen für Kriegszwecke heran-
gezogenen, sowie jene zu freiwilligen Arbeits- oder Dienstleistungen für Kriegszwecke verwendeten
Zivilpersonen zu behandeln“ ; Erlass des KM v. 28.3.1916, Abt. I.F. Nr. 287 ex 1915 (Auslegung des
Begriffes „Kriegsbeschädigte“ in den Erlässen des Kriegsministeriums, Präs. Nr. 10942 und 22301 ex
1915), in : K.k. Ministerium des Innern, Mitteilungen, 1916, S. 111f. Zu den weiblichen Hilfskräften
im Felde siehe Maureen Healy, Becoming Austrian : Women, the State, and Citizenship in World War
I, in : Central European History, 35 (2002) 1, S. 1–35, hier S. 29–34.
118 RGBl 1917/525.
119 StGBl 1919/245, §§ 1 und 2. In Deutschland wurde ein entsprechendes Gesetz für Zivilkriegsbeschä-
digte
– das Kriegspersonenschädengesetz v. 15.7.1922, dRGBl 1922, S.
620ff
– erst nach dem Krieg und
getrennt vom Reichsversorgungsgesetz – dem Gesetz über die Versorgung der Militärpersonen und
ihrer Hinterbliebenen bei Dienstbeschädigung, dRGBl 1920, S. 989ff – erlassen ; Rainer Hudemann,
Kriegsopferpolitik nach den beiden Weltkriegen, in : Hans Pohl (Hg.), Staatliche, städtische, betrieb-
liche und kirchliche Sozialpolitik vom Mittelalter bis zur Gegenwart (= VSWG Beiheft 95), Stuttgart
1991, S.
269–294, hier S.
275f. Zum Begriff des „Kriegsdienstleisters“ und des „Zivilkriegsbeschädigten“
in der österreichischen Gesetzgebung siehe Franz Fahringer/Karl Friedrich Büsch/Hans Liebl (Hg.),
Kriegsbeschädigtenfürsorge in Wien, Niederösterreich und Burgenland von 1914 bis 1929, Wien 1929,
S. 56f ; Franz Fahringer, Über die Kriegsbeschädigtenfürsorge. Ihre Anfänge und ihr Werdegang in
Österreich, Diss. Wien 1953, S. 7, S. 19.
Die Wundes des Staates
Kriegsopfer und Sozialstaat in Österreich 1914–1938
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die Wundes des Staates
- Untertitel
- Kriegsopfer und Sozialstaat in Österreich 1914–1938
- Autoren
- Verena Pawlowsky
- Harald Wendelin
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79598-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 586
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918