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57Unzulänglichkeiten
trotz neuer Prinzipien : Die Militärversorgung bei Kriegsbeginn
auszudenken waren. Die Erfassung der Angehörigen bzw. Hinterbliebenen durch
staatliche Regelungen begann ansatzweise erst im Jahr 1880. Das bereits erwähnte
Militärtaxgesetz bestimmte, wie mit den Einnahmen aus jener Steuer zu verfahren
war, die jene leisten mussten, die nicht zur Militärdienst herangezogen werden konn-
ten. Diese Einnahmen sollten nämlich nicht nur direkt in die Militärinvalidenversor-
gung fließen und in Form einer „gnadenweisen Verleihung“ von Zulagen besonders
berücksichtigungswürdigen Verwundeten20 zukommen, sondern auch der Versorgung
der Witwen und Waisen von verstorbenen Soldaten dienen. Voraussetzung für einen
Bezug von Leistungen war allerdings die Hilfsbedürftigkeit der Hinterbliebenen.21
Kurz gesagt, stellte die durch diese Regelung geschaffene Leistung zunächst also –
im Gegensatz zum rechtlichen Anspruch der invaliden Soldaten gemäß Militärver-
sorgungsgesetz – lediglich eine Gnadengabe dar. Weitere sieben Jahre sollten verge-
hen, bis aus der gnadenweisen Gewährung einer Unterstützung ein Rechtsanspruch
wurde : Das Gesetz über die Militär-Versorgung von Witwen und Waisen22 von 1887
setzte die Bedürftigkeit nicht mehr als Grundlage für den Anspruch auf eine Hin-
terbliebenenversorgung voraus, sondern garantierte unter bestimmten Bedingungen
eine Dauerleistung.
2.3 Unzulänglichkeiten trotz neuer Prinzipien :
Die Militärversorgung bei Kriegsbeginn
Das Militärversorgungsgesetz bildet also in keiner Weise jenes Verhältnis ab, das die
Einführung der allgemeinen Wehrpflicht erwarten ließe, und das in letzter Konsequenz
bedeutet hätte, jene Staatsbürger, die in Erfüllung ihrer staatsbürgerlichen Pflicht vom
Staat vorübergehend als Soldaten einberufen wurden, für allenfalls entstandene Schä-
den auch angemessen zu entschädigen. Das Gesetz gehorcht dagegen viel eher der
Logik einer arbeits- bzw. privatrechtlichen Regelung von Abfertigungsansprüchen im
modernen Sinn – einer Regelung, die in erster Linie eine Art Treueprämie gewährt
und daher erst nach einer festgelegten Zeit schlagend wird und die erst in zweiter
Linie entstandenen Schaden abgilt.
Die scharfe Trennung zwischen Invalidität einerseits und dem Verlust bürgerlicher
Erwerbsfähigkeit andererseits, die das Gesetz trifft – also Militärdienstuntauglichkeit
versus Arbeitsunfähigkeit – weist in eine ähnliche Richtung : Der Staat hinter diesem
20 RGBl 1880/70, § 13.
21 Ebd.
22 RGBl 1887/41.
Die Wundes des Staates
Kriegsopfer und Sozialstaat in Österreich 1914–1938
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die Wundes des Staates
- Untertitel
- Kriegsopfer und Sozialstaat in Österreich 1914–1938
- Autoren
- Verena Pawlowsky
- Harald Wendelin
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79598-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 586
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918