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Die Wundes des Staates - Kriegsopfer und Sozialstaat in Österreich 1914–1938
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59Unzulänglichkeiten trotz neuer Prinzipien : Die Militärversorgung bei Kriegsbeginn lich in den Bestimmungen des Militärversorgungsgesetzes von 1875, in welchem außer der Gewährung von Invalidenpensionen nur noch die Beschaffung von einfachen Stelzfüssen, künstlichen Augen u. dgl. vorgesehen war.“24 Diese Einschätzung zeigt, dass es bereits im Krieg evident wurde, wie völlig unzurei- chend dass das System zur Versorgung der Kriegsbeschädigten war. Was lässt sich nun aber aus der Tatsache schließen, dass weder für Wehrpflichtige noch für deren Hin- terbliebene eine ausreichende Versorgung im Fall von Invalidität bzw. Tod vorgesehen war ? Was lässt sich auf dieser Basis über das Verhältnis von Staat und Bürger sagen ? Die eigene Erfahrung mit dem europäischen Modell des Sozialstaates im 20. Jahr- hundert führt sehr leicht dazu, die eben beschriebenen Versorgungsregelungen vor allem über ihre Defizite zu erklären. Bei der Analyse sticht viel eher das ins Auge, was fehlt, während das, was tatsächlich neu ist, schwer wahrnehmbar ist. Dabei übersieht man, dass in Österreich-Ungarn bis ins 20. Jahrhundert hinein die Sozialfürsorge in den Händen der Gemeinden lag.25 Basis für die Inanspruchnahme jeglicher Form der Unterstützung war daher nicht die Staatsbürgerschaft, sondern das Heimatrecht. Vor diesem Hintergrund bildete die Staatsbürgerschaft kaum mehr als eine „Drauf- gabe“ auf das Heimatrecht, und tatsächlich existierte die Staatsbürgerschaft zunächst nur im Verband mit dem Heimatrecht. Jede in einer österreichischen Gemeinde heimatberechtigte Person war automatisch auch österreichischer Staatsbürger oder österreichische Staatsbürgerin, während es umgekehrt nicht möglich war, die öster- reichische Staatsbürgerschaft anzunehmen, ohne gleichzeitig in den Verband einer österreichischen Gemeinde aufgenommen zu werden.26 Grundlage für einen  – meist ohnehin nur sehr theoretischen  – Anspruch auf Versorgung bildete nicht die durch die Staatsbürgerschaft definierte Zugehörigkeit zum „großen Ganzen“, zum Staat also, sondern die durch das Heimatrecht bestimmte lokale Zuordnung zu einem Ge- meindeverband.27 24 AT-OeStA/AdR BMfsV Kb, Kt. 1356, 1244/1918. 25 Josef Wysocki, Die österreichische Finanzpolitik, in : Peter Urbanitsch/Adam Wandruszka (Hg.), Die wirtschaftliche Entwicklung (= Die Habsburgermonarchie 1848–1918 1), Wien 1973, S.  68–104. 26 Das Staatsgrundgesetz von 1867 versprach zwar ein Staatsbürgerschaftsgesetz. Im Gegensatz zur un- garischen Reichshälfte, wo ein solches Gesetz im Jahr 1879 erlassen wurde, wurde dieses Versprechen jedoch nie eingelöst. Die Regelung der österreichischen Staatsbürgerschaft basierte daher weiter auf dem ABGB von 1811 und verschiedenen Hofdekreten ; siehe Hannelore Burger, Passwesen und Staats- bürgerschaft, in : Waltraud Heindl/Edith Saurer (Hg.), Grenze und Staat. Paßwesen, Staatsbürgerschaft, Heimatrecht und Fremdengesetzgebung in der österreichischen Monarchie (1750–1867), Wien 2000, S.  3–172, bes. S.  168ff. 27 Harald Wendelin, Schub und Heimatrecht, in : Heindl/Saurer, Grenze und Staat, S.  173–346, bes. S.  181ff.
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Die Wundes des Staates Kriegsopfer und Sozialstaat in Österreich 1914–1938
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Die Wundes des Staates
Untertitel
Kriegsopfer und Sozialstaat in Österreich 1914–1938
Autoren
Verena Pawlowsky
Harald Wendelin
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2015
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-79598-8
Abmessungen
17.0 x 24.0 cm
Seiten
586
Kategorien
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