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Die Wundes des Staates - Kriegsopfer und Sozialstaat in Österreich 1914–1938
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71Der normative Rahmen der Kriegsbeschädigtenversorgung während des Krieges wenn der Gesetzgeber bei dieser Differenzierung andere Berufsgruppen  – insbeson- dere höher qualifizierte  – vor Augen gehabt hatte. Deutlich wird dies beispielsweise in einer Debatte im Abgeordnetenhaus im März 1918, in deren Verlauf ein Redner als Beispiel für die Unterscheidung von Berufs- und Arbeitsunfähigkeit einen Musiker anführte. Erleide dieser „eine kleine Fingerverletzung“, so sei er zu 100 % berufsun- fähig, seine Arbeitsfähigkeit sei aber nur sehr gering eingeschränkt.62 Das Abstellen der Versorgungsansprüche auf die Berufs- und nicht auf die Arbeitsfähigkeit kann so- mit als Ergebnis der Einbeziehung höher qualifizierter Schichten in den Militärdienst verstanden werden. Dennoch scheint es nicht ganz richtig zu sein, dass  – wie Michael Geyer ebenfalls behauptet  – der Anspruch auf Versorgung nur vor dem Hintergrund formuliert werden konnte, dass der Militärdienst durch die allgemeine Wehrpflicht zu einer „Arbeit“ für den Staat wurde, also nicht mehr Dienst war, sondern Ergebnis eines „Arbeitskontraktes“ mit dem Staat.63 Das Verhältnis zwischen dem Soldaten- Staatsbürger und dem Staat ist nämlich gerade kein privatrechtliches, wie dies der Be- griff des „Arbeitskontraktes“ nahelegt. Es beruht weder auf Freiwilligkeit, noch wird die gelieferte Leistung entlohnt. Statt dessen wird vom Staat bestenfalls eine  – um in dieser Terminologie zu verbleiben  – Aufwandsentschädigung gezahlt, während auf der anderen Seite der Einsatz des Staatsbürgers nicht weniger als sein Leben ist  – erstaun- lich genug, dass sich eine derartige Beziehung historisch durchsetzen konnte. 2.4.3 Parlamentarische Korrekturen Nach der Wiedereinberufung des Reichsrates im März 1917 mussten die Abgeordne- ten jene kaiserlichen Verordnungen, die unter Berufung auf den § 14 des Staatsgrund- gesetzes von 1867 ohne parlamentarische Zustimmung erlassen worden waren, sank- tionieren.64 Dazu zählten auch die drei Verordnungen, die die Unterhaltsbeiträge neu geregelt hatten. Der im Juli 1917 dazu vorgelegte Ausschussbericht ließ an den Re- gelungen kein gutes Haar. Formale Unzulänglichkeiten, wie das Fehlen der Möglich- keit, gegen eine Entscheidung einer Unterhaltsbezirkskommission zu berufen, wur- den ebenso ins Treffen geführt wie die äußerst geringe Höhe der Beiträge und deren Berechnungsgrundlage. In der parlamentarischen Debatte ließen Redner aller Frak- 62 Sten. Prot. AH RR, XXII. Session, 67. Sitzung v. 1.3.1918, S.  3404f. Der Redner war Otto Glöckel, der spätere sozialdemokratische Unterstaatssekretär für Unterricht (1918–1920). Das Beispiel, das er in der Rede anführte, ist übrigens eines, das an der Praxis relativ weit vorbeigegangen sein dürfte, denn es ist nicht anzunehmen, dass eine „kleine Fingerverletzung“ ausgereicht hätte, um als wehrdienstuntauglich superarbitriert zu werden. 63 Geyer, Vorbote, S.  236. 64 Vgl. FN 34 in Kapitel 2.4.
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Die Wundes des Staates Kriegsopfer und Sozialstaat in Österreich 1914–1938
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Die Wundes des Staates
Untertitel
Kriegsopfer und Sozialstaat in Österreich 1914–1938
Autoren
Verena Pawlowsky
Harald Wendelin
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2015
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-79598-8
Abmessungen
17.0 x 24.0 cm
Seiten
586
Kategorien
Geschichte Nach 1918
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