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Die Wundes des Staates - Kriegsopfer und Sozialstaat in Österreich 1914–1938
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97Die „Erfindung“ der sozialen Kriegsbeschädigtenfürsorge gesellschaftspolitisches und gewissermaßen individualpsychologisches. Was gut und nützlich für Wirtschaft und Gesellschaft war  – nämlich die Verwertung der Arbeits- kraft der Kriegsbeschädigten und die Vermeidung zu hoher finanzieller Leistungen an diese  –, galt als ebenso gut und nützlich für jeden einzelnen Betroffenen, den nur Arbeit davor bewahrte, das Leben einer unzufriedenen Randexistenz zu führen. Der Kriegsbeschädigte wurde  – so die leitende Idee  – dann wieder ein vollwertiger Mensch, wenn er sich und seine Familie durch eigene Erwerbsarbeit erhalten konnte. Dahin musste er mit allen Mitteln gebracht werden. Der Staat half ihm, seine Rolle als Fa- milienerhalter wieder einzunehmen, der er durch die Kriegsbeschädigung entweder gar nicht oder nicht mehr in vollem Umfang gerecht werden konnte. Die berufliche Reintegration war der Weg, den Kriegsbeschädigten auch gesellschaftlich und familiär zu reintegrieren. 3.2 Die „Erfindung“ der sozialen Kriegsbeschädigtenfürsorge Im Bereich der finanziellen Versorgung gab es mit den Regelungen zu Invalidenpen- sionen, Witwen- und Waisenversorgung sowie Unterhaltsbeiträgen eine ganze Reihe von Normen, auf die im Laufe des Krieges zurückgegriffen werden konnte ; sie wurden in mehreren Stufen  – mehr schlecht als recht  – an die neuen Bedürfnisse angepasst. Im Bereich der beruflichen Reintegration kriegsbeschädigter ehemaliger Soldaten, der „sozialen Kriegsbeschädigtenfürsorge“  – so die zeitgenössische Bezeichnung für jenes weite Feld, das idealtypisch bei der medizinischen Erstversorgung beginnen und der erfolgreichen Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess enden sollte  –, betrat der Staat dagegen Neuland. Das unüberschaubare Heer von Kriegsbeschädigten, deren eingeschränkte Erwerbsfähigkeit amtlicherseits prozentgenau festgestellt war, schien aber auch ganz neue staatliche Maßnahmen zu erfordern. Um aus einem invaliden Soldaten wieder einen erwerbsfähigen Bürger zu machen, benötigte es begleitende Maßnahmen. Und so erschöpfte sich die Kriegsbeschädigtenfürsorge spätestens seit 1915 nicht mehr länger in der bloßen Gewährung von Renten und der Finanzierung einiger weniger Invalidenhäuser, sondern wandte sich der beruflichen Wiedereinglie- derung von Kriegsbeschädigten, der Erhaltung bzw. Wiedererlangung ihrer Arbeits- kraft, als zentralem Betätigungsfeld zu. Dass es sich hierbei um eine staatliche Aufgabe handeln sollte, wurde schon im ersten Kriegsjahr festgelegt : Im August 1915 erließ der Kaiser jene zentrale Verordnung, in der die Regierung ermächtigt wurde, „Verfügungen zu treffen, daß Personen […], die während des gegenwärtigen Krieges infolge Verwundung vor dem Feinde oder infolge dienstlicher Verwendung in ihrer Gesundheit ge-
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Die Wundes des Staates Kriegsopfer und Sozialstaat in Österreich 1914–1938
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Die Wundes des Staates
Untertitel
Kriegsopfer und Sozialstaat in Österreich 1914–1938
Autoren
Verena Pawlowsky
Harald Wendelin
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2015
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-79598-8
Abmessungen
17.0 x 24.0 cm
Seiten
586
Kategorien
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