Seite - 102 - in Die Wundes des Staates - Kriegsopfer und Sozialstaat in Österreich 1914–1938
Bild der Seite - 102 -
Text der Seite - 102 -
102 Die soziale Kriegsbeschädigtenfürsorge im Krieg
sorgemaßnahmen für Kriegerwitwen, die etwa deren eigenes berufliches Fortkommen
erleichterten, wurden erst nach dem Krieg, und auch da nur ansatzweise, Thema der
Politik. Zwar betonten manche Landeskommissionen schon in den Kriegsjahren die
Wichtigkeit der Hinterbliebenenfürsorge25 abseits pekuniärer Zuwendungen und be-
zogen bisweilen auch Witwen und Waisen gefallener Soldaten in bestimmte Fürsor-
geaktionen mit ein, doch die Zentralbehörde trug dieser Entwicklung – etwa durch
eine entsprechende Reorganisation der Landeskommissionen oder eine Neudefinition
ihres Aufgabenkreises – in keiner Weise Rechnung. Im Bereich der sozialen Fürsorge
blieben Kriegsbeschädigte und Kriegshinterbliebene getrennte Gruppen.
3.3 Etablierung einer neuen Verwaltungsstruktur : Die
Landeskommissionen zur Fürsorge für heimkehrende Krieger
Die Landeskommissionen stellten insofern eine bedeutende Innovation dar, als sie den
ersten Versuch staatlicher Reglementierung des bis dahin im Wesentlichen den un-
tergeordneten Gebietskörperschaften überlassenen Feldes der sozialen Fürsorge mar-
kierten. Konkret hielt ein Erlass des Innenministeriums im Februar 191526 die Lan-
deschefs aller Kronländer an, unter ihrem Vorsitz Landeskommissionen zur Fürsorge
für heimkehrende Krieger einzurichten, um in diesen die Anstrengungen auf dem Ge-
biet der Kriegsbeschädigtenfürsorge sowie die verfügbaren finanziellen Ressourcen für
diese Fürsorge zu bündeln. Dabei sollte nicht Neues entwickelt, sondern Bestehendes
planmäßig vereinigt und eine logische Ergänzung zur Fürsorge der Kriegsverwaltung
und zu den Diensten des Roten Kreuzes geschaffen werden. Die Tätigkeitsfelder der
Landeskommissionen umfassten im Wesentlichen die Schritte des zuvor erwähnten
fünfgliedrigen Reintegrationsprogramms.27 Zentrales Ziel aller Anstrengungen der
sozialen Kriegsbeschädigtenfürsorge sollte sein, was in der oben zitierten Formulie-
rung des Gesundheitsausschusses paradigmatisch zusammengefasst und in unzähligen
anderen Schriften wiederholt wurde : Wiederherstellung der Arbeitskraft, Reintegra-
schaffene ‚Wehrmann‘ aus Lindenholz wird auf dem Schwarzenbergplatz in einem Kiosk enthüllt (6.
März 1916)“, in : Kommunal-Kalender 1916, S.
1026 ; „Der Wehrmann aus Eisen“, in : Oesterreichische
Volks-Zeitung, Nr. 73 v. 14.3.1915, S. 9.
25 AT-OeStA/AdR BMfsV Kb, Kt. 1358, 3848/1918, S. 31.
26 Erlass des MdI v. 16.2.1915, in : K.k. Ministerium des Innern, Mitteilungen, 1915, S. 2f.
27 Oder in drei Punkten zusammengefasst : „Gegenstand der geplanten Aktion sind : 1. wirksame Spezial-
behandlung von kranken oder verletzten Kriegern in Heilstätten, Badeorten, orthopädischen Anstalten
u.dgl. […]. 2. Fürsorge für Kriegsinvalide durch Einrichtung von Schulen zur Ausbildung in Berufen, die
sie mit Rücksicht auf ihren Zustand mit Erfolg ergreifen können. 3. Arbeitsvermittlung“, K.k. Ministe-
rium des Innern, Mitteilungen, 1915, S. 2.
Die Wundes des Staates
Kriegsopfer und Sozialstaat in Österreich 1914–1938
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die Wundes des Staates
- Untertitel
- Kriegsopfer und Sozialstaat in Österreich 1914–1938
- Autoren
- Verena Pawlowsky
- Harald Wendelin
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79598-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 586
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918