Seite - 117 - in Die Wundes des Staates - Kriegsopfer und Sozialstaat in Österreich 1914–1938
Bild der Seite - 117 -
Text der Seite - 117 -
117Exkurs
: Schulung in der Invalidenstadt
denn bei der Schulung ging es ja in erster Linie darum, die in ihrer Bewegungs fähigkeit
eingeschränkten oder frisch amputierten Kriegsbeschädigten durch entsprechendes
Training wieder bewegungs- und in der Folge auch arbeitsfähig zu machen. Eine enge
Verbindung mit jenen Einrichtungen, die sich der Prothesenherstellung widmeten, war
daher naheliegender. Was als therapeutische Maßnahme in Heilstätten begann, ent-
wickelte sich bald zur zielgerichteten Schulung weiter. Aus der Arbeitstherapie
– jener
teils aus medizinischen, teils aber auch aus disziplinären Gründen geübten Tagesbe-
schäftigung in den Spitälern – wurde die Invalidenschulung. Und diese fand zuse-
hends auch außerhalb der Spitäler statt.
4.2 Exkurs : Schulung in der Invalidenstadt
Modellcharakter für die berufliche Schulung von Kriegsbeschädigten erlangten die
in Wien-Favoriten angesiedelten Invalidenschulen23 des Wiener Reservespitals Nr.
11, deren Einrichtung durch die Militärverwaltung im Jahr 1915 auf die Initiative
des damals 43-jährigen Oberstabsarztes und Orthopäden Hans Spitzy zurückging.24
Spitzy war Leiter des Reservespitals, das mit seinem Stammhaus – dem Orthopädi-
schen Spital in Wien V – und mehreren Außenstellen25 eine der wichtigsten medi-
zinischen Institutionen für Kriegsbeschädigte der ganzen Monarchie darstellte. Bis
Mitte 1918 wurden hier insgesamt etwa 24.000 Soldaten versorgt. Auch die Invaliden-
23 Eine sehr genaue Darstellung der Invalidenschulen bietet Anton Lang, Die Schleierbaracken. Von den
Invalidenschulen zum Gewerbepark, Wien 2000. Vgl. als zweite – mehr der Architektur verpflichtete –
aktuelle Darstellung : Helge Mooshammer/Peter Mörtenböck, Schleierbaracken (= Forschungsbericht
des „Kulturvereins zur Erforschung der Geschichte der Schleierbaracken in Wien X“), Wien 1993. Un-
ter den zeitgenössischen Arbeiten sind vor allem die Ausführungen von Hans Spitzy selbst zu erwähnen :
Hans Spitzy, Orthopädisches Spital und Invalidenschulen (= Sonderabdruck aus „Viribus unitis“ Öster-
reich-Ungarn und der Weltkrieg), Wien 1914, S. 113–118 ; Hans Spitzy (Hg.), Unsere Kriegsinvaliden.
Einrichtungen zur Heilung und Fürsorge. Bilder aus dem k. u. k. Reservespital XI, Wien (= 5. Beiheft zu
Streffleurs Militärblatt), Wien 1915 ; Hans Spitzy, Organisation und Aufbau des Orthopädischen Spita-
les und der Invalidenschulen (= Vortrag an der Tagung der Deutschen Gesellschaft für Krüppelfürsorge
in Berlin, 6. Februar 1916), in : Medizinische Klinik, 16 (1916) Sonderabdruck, S. 3–16 ; Hans Spitzy,
Arbeitstherapie und Invalidenschulen (= Separatabdruck aus der Zeitschrift für ärtzliche Fortbildung 6),
Jena 1916.
24 Spitzys Vorschlag, ein orthopädisches Spital mit angeschlossenen Invalidenschulen für Kriegsverwun-
dete zu errichten, datiert vom November 1914 ; Spitzy, Orthopädisches Spital, S. 113. Siehe auch die
euphorische Erwähnung bei Hans Payer, Invalidenelend, Staat und Gesellschaft. Ein Aufruf zur Grün-
dung von Kriegsinvaliden-Erwerbs-Genossenschaften, Wien-Leipzig 1916, S. 14.
25 Das Stammhaus befand sich in Wien V, Gassergasse 44–46. Die zeitweise bis zu zwölf Filialen waren
über ganz Wien verstreut.
Die Wundes des Staates
Kriegsopfer und Sozialstaat in Österreich 1914–1938
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die Wundes des Staates
- Untertitel
- Kriegsopfer und Sozialstaat in Österreich 1914–1938
- Autoren
- Verena Pawlowsky
- Harald Wendelin
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79598-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 586
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918