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die eigentlichen Werkzeuge der Negierung
werden. Doch hatte er im hohen Adel
seine einflußreichsten Gönner, die ihren
Söhnen seinen Unterricht zuzuwenden
wetteiferten. Seine Gegner u.Feinde
behandelte er nie geringschätzig, aber
nicht selten erhob die Schärfe seiner eige-
nen Logik ihre Angriffe zu einiger Gel-
tung. — Seiner Kirche ward er weder
heimlich noch öffentlich abtrünnig, wie
dies von Andern behauptet worden, son-
dern er hing mit solcher Entschiedenheit
und Innigkeit au ihr, daß er eiust den
Ausspruch that: „Er würde Jesum ver-
lassen uud der Kirche folgen, wenn diese
es von all ihren Gliedern fordern sollte."
Seiu Lieblingsdichter war Schil ler;
unter den Philosophen entsprach ihm L eib-
nitz am meisten; anKaut tadelte er, daß
er zu wenig Mathematiker war und nur
die mathematische Wahrheit war nach B.
eine philosophische. Auf Schelling,
Hegel,-Krug und viele Andere war er
nicht gut zu sprechen. Als seine Ab-
setzung erfolgte, wollte man ihm nicht
nur das Ertheilen jedes religiösen Unter-
richts, sondern auch das Beichtehören
untersagen. Bekannt ist, daß wenn ein
Freidenker keinen Geistlichen vorlassen
wollte, und man ihn endlich doch dazu
beredete, es dann immer hieß: „Nun, so
holt mir den Professor Bolzano." Das
ganze Leben Bolzano's ging nur auf
das Eine: die Auffindung der Wahrheit
hinaus, dergemä'ß er sein Thun uud
Lassen einrichtete, und für die den Tod
zu erleiden er keine Minute gezögert
hätte. Es hatte nur von ihm abgehangen,
äußere Ehren uud eiue glänzende Stel-
lung zu erreichen, aber er hielt es unter
seiner Würde, sich zeitlicher Güter wegen
vom Wege der Wahrheit zu entfernen
und den an ihn gestellten Zumuthungen
zu willfahren. Einen Grundzug seines
Charakters bildete seine fast leidenschaft-
liche Wohlthätigkeit, namentlich für Arme, aber auch für Studirende und selbst für
Anstalten. Uebrigens ist das Leben
dieses Mannes, dessen künftiger Biograph
ein Buch wird schreiben muffen, um ihm
gerecht zu werden, so reich an allen jenen
inneren uud äußeren Momenten dessen,
was unser Jahrhundert an geistiger Cul-
tur und Humanität aufzuweisen hat, daß
in einer biographischen Skizze von ihm
mit Necht gesagt werden durfte: „Man
köune den Abgeschiedenen den Vollkom-
mensten unseres Geschlechts, die je auf
Erden gelebt haben, beizählen, denjenigen
nämlich, die sich
durch einen ungewöhnli-
chen Grad von Weisheit und Tugend
ausgezeichnet haben." Bolzano war
einer jener Charaktere, welche durch
eigene Kraft, von Innen heraus, trotz
aller Hindernisse ihre Laufbahn zurück-
legen und am Ende derselben der ganzen
Welt die wohlthätige Nachwirkung der
Größe zurücklassen. Bei schwächlichem
Körper, aus dessen Haltung christliche
Demuth sprach, ergab er sich
rückhaltslos
ununterbrochenen wissenschaftlichen Stu-
dien. Die Literatur faud an ihm einen
gerechten, nüchternen Würdiger und viele
seiner Aussprüche über Goethe und
Schiller sind interessant. Er selbst war
einige Male als Poet ausgetreten, aber
die Zerfahrenheit der moderneu dichteri-
schen Schule konnte ihm nicht behagen
und er wies sogar durch längere Zeit alle
ähnliche Lectüre von sich. Den persönli-
chen Verkehr mit ihm wußte er durch
liebenswürdige Heiterkeit und jene Ruhe
wohlthuend zn machen, die den gereiften
Deuker charakterisirt. Er sprach nicht
viel und war gegen fremde Ansichten
tolerant, wie überhaupt Bescheidenheit ein
Grundton seines Wesens war. Seine
Devise — nicht dem bloßen Worte, son-
dern der That nach — war: „Fortschrei-
ten soll ich!" Ein merkwürdiges Docu-
meut aus der Feder des Gelehrten ist sein
Testament, welches auf sein ganzes Leben
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Bninski-Cordova, Band 2
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Bninski-Cordova
- Band
- 2
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1857
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 470
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon