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Im Jahre 1850 erhielt D. die Stelle des
ersten Custos und nach anderthalb Jahren
jene des Vorstandes der Universitäts-Bi-
bliothek, als welcher er noch jetzt an dieser
Anstalt thätig ist. Als Gelehrter hat sich
D. zuerst durch einige kleinere Aufsätze
in der,,SteiermärkischenZeitschrift",dann
durch einenAufsatz in der „WienerZtg."
Jahrg. 1844: „Vtber Brüh oder Brüh, vom
rein grammatischen Ktandpnncte aus", und im
Jahre 1845 durch einen zweiten Artikel
in Adolf Schmidts „Blättern für östr.
Literatur und Kunst": „Teber das älteste Vor-
kommen des Tlllimn5 Oesterreich" bemerkbar
gemacht. Er verlegte sich schon in Gräz
besonders aufGeschichte und ältere deutsche
Sprach- und Literaturkunde und faßte
den Entschluß, sämmtliche österr. Stifte
und Klöster zu durchforschen, um die al-
lenfalls da noch verborgen liegenden alt-
deutschen Sprachdenkmale an das Tages-
licht zu fördern. Seine mit mannigfachen
Opfern verbundenen Bemühungen wur-
den mit günstigem Erfolge gekrönt, denn
er entdeckte in dem regulirten Chorherru-
fiifte zu Vorau in Steiermark eine Hand-
schrift altdeutscher Gedichte des 11. und
12. Jahrhunderts, welche größtentheils
bisher gänzlich unbekannt waren und um
so wichtiger sind, als sie für jene Zeit
völlig allein dastehen. Sie erschienen auf
Kosten der kaiserl. Akademie der Wissen-
schaften zuWien unter dem Titel: „Deutsche
Gedichte iies N. und 12. Jahrhunderts; aufgef.
im r?gnl. Ahncherrnstifte zn Voran in der Steter-
mark und znm ersten Male mit einer Oinleitnng
nnd Anmerkungen herausgegeben mit uier Nachnil-
dangen der Handschrift" (Wien 1849, 8".).
Durch die historische Einleitung und die
sprachlichen Anmerkungen zu diesen Dich-
tungen, ferner durch seine in den „Si-
tzungsberichten der kaiserl. Akademie der
Wissenschaften" in denIahren1851,1354,
1855 veröffentlichten und auch besonders
gedruckten: „Meine Neitriiye M älteru dent-
schen Sprache und Ateratnr", von welchen bis- her drei Theile erschienen sind, und end-
lich durch eine in den „Oestr. Blättern für
Literatur und Kunst", Jahrgang 1854,
Nr. 9—14 enthaltene Abhandlung:„Ueber
den Antheil Oesterreichs an der deutschen Nichwng
des MittrllllterZ" . hat D. wesentliche Auf-
schlüsse über viele bisher gänzlich unbe-
kannte Theile der ältesten deutschen und
österr. Literaturgeschichte gegeben. Die
Ergebnisse dieser Forschungen wurden
auch sowohl von W. Wackernagel als
Gervinus zur Grundlage ihrer Dar-
stellungen dieses Theiles der deutscheu
Literaturgeschichte genommen und der
Letztere erklärte (vierte Auflage, Bd. 1.
109) ausdrücklich, „Diemer habe für
diese bisher dunkle Zeit ein ganz neues
Licht gezündet." Einen zweiten wichtigen
Schatz der ältern deutschen Sprache stellte
D. mit dem Werke an's Licht, welches
unter dem Titel erschien: „Nie Kaiserchw-
nik nach der ältesten Handschrift des Stiftes Varan
aufgef. mit einer Giuleitnng, Anmerkungen und
Asearten der Wächst stehenden Mschr. heransge-
geben" (Wien 1849, 8°.) Theil I. Urtext;
über welches er in seinen „Nleinen Neitrii-
gen" den Nachweis lieferte, daß dieses
große Geschichts- und Legendenbuch des
Mittelalters ebenfalls in Oesterreich nnd
nicht wie man bisher meinte, am Mittel-
rhein entstanden sei (vergl. Gervinus
a. angef. 0.1,178). I n jüngster Zeit
erschien von ihm in den „Oestr. Blättern
für Literatur und Kunst", Jahrg. 1857,
Nr. 6—8 eine ausführliche Besprechung
von GartnersWerk: „Chuonrad, Prä-
lat von Göttweih und das Nibelungen-
lied" (Pesth 1856), welche wegen ihrer
Gründlichkeit und etwas scharfen Hal-
tung allgemeine Theilnahme erregte.
Eine Ausgabe der M i l statt er Hand-
schrift , welche die ersten zwei Bücher
Mosis in deutschen Versen des 12.
Jahrhunderts enthalt, mit Einleitung
und Anmerkungen steht demnächst bevor.
Für seine Verdienste um die Wissenschaft
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Coremans-Eger, Band 3
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Coremans-Eger
- Band
- 3
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1858
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 456
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon