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«r im „historischen Style vermochte".
Aber bald verdichtete sich
ihm die Geschichte
unter den Händen zur Politik. Die Mo-
natschrift hatte er 1795 fallen gelassen
und nun begann er seine Studien und
Vorarbeiten zur Geschichte der französi-
schen Revolution, deren erstes Ergebniß
die deutsche Bearbeitung der französischen
Finanzgeschichte von d'Ivernois war.
Da brachte der Tod Friedrich Wi l -
helm I I . (16. Nov. 1797) einen Um-
schwung in die preußischen Zustände und
G. richtete an deu neuen Thronfolger
Friedrich Wilhelm III . das denkwür-
dige, so verschieden aufgefaßte „Send-
schreiben". Dieses Sendschreiben wurde
für die öffentliche Meinung zur Haupt-
waffe gegen den späteren Gentz, der sich
schon 1814 dieses „jugendlichen" Send-,
schreibeus nicht mehr erinnern mochte;
amtlicher Seits aber hatte der Schrift«
fteller Gentz dem Kriegsrathe Gentz
einen schlechten Dienst erwiesen, denn
der König haßte die Genies und hielt auf
Subordination und Beobachtung bureau-
kratischer Etikette. Da trat das für G.'s
publicistische Thätigkeit epochemachende
Jahr 1799 heran. I u diesem Jahre schuf
er
sich
sein eigenes Organ: das „historische
Journal", worin er unbedingter Lobred-
ner Großbrittaniens wurde, welches ihm
übrigens diese Parteinahme reichlich
lohnte. (Vergl. Kuranda's Gränzboten
1846, Nr. 42). Hauterive's Schrift:
6.6 1'edat äe 1k k'laiiQe 2.12. ün äe 1'g.n
VIII hatte sich G. zur Widerlegung aus-
ersehen; die Ccnsurconflicte, in welche
er dabei gerieth, machten G. auf deu Ge-
gensatz aufmerksam, in welchem er sich
zu den Ansichten der preußischen Regie-
rung befand. Seine Politik war die Po-
litik Englands und Oesterreichs und nicht
jene Preußens, nebstdem vertrat ihm der
Schriftsteller in Preußen den Weg zum
Staatsmanne; das verschwenderische Le-
ben , welches er bis dahin geführt, hatte seine Finanzen zerrüttet, denen ohnehin
England durch reiche Spenden aufhelfen
mußte, und Oesterreich war es, auf wel-
ches G. seine Blicke in dieser Lage gerich-
tet. Nach mancherlei Conflicten erhielt
er am 4. Oct. 1802 die Entlassung aus
dem preußischen Dienftverbande, indem
die Berufung nach Oesterreich mit einem
Iahrgehalt von 4000 st. und dem Eha-
rakter eines Hofrathes in außerordentli-
chen Diensten vorausgegangen war. Eine
Reise nach England folgte sogleich dieser
Ernennung und die conservative Politik
Englands machte ihren Pact mit dem
Repräsentanten der conservativen Publi-
cistit Deutschlands. Im Jan. 1803 kehrte
G. auf das Festland zurück und wirkte in
seiner neuen Stellung, während Graf
Ludwig Cobentzl. GrafColloredo und
Baron von Collenbach die Leitung der
Staatögeschäfte führten. G. hatte eine
mächtige Aufgabe, nämlich die Beseiti-
gung der Unentschlossenheit Oesterreichs
und das Aufgeben halber Maßregeln zu
erzielen. Der Moment war politisch
wichtig, denn Napoleon hatte sich am
18. Mai 1804 zum erblichen Kaiser er-
klären lassen und somit das Princip der
Nevolution energisch zusammengefaßt und
befestigt. G.'s Wirksamkeit war nun eine
zweifache, er schrieb eine Neihe von Denk-
schriften für Diejenigen, welche in den
öffentlichen Angelegenheiten maßgebend
waren und für die Ienaische Literatur-
Zeitung mehrere Recensionen über poli-
tische Schriften (vergl. unten I, Schriften
von Gentz^). Eine Genugthuung ward
ihm in seinem staatsmännischen Wirken,
als er auf den Wunsch Preußens, das
durch ihn das öftr. Cabinet zu gewinnen
suchte, im preußischen Hauptquartier in
Naumburg und später in Erfurt (Oct.
1806) wirkte, zur Zeit jener furchtbaren
Katastropbe, als die preußische Monarchie
schmählicher niedergeworfen werden
sollte, als es vorher der österreichischen.
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Füger-Gsellhofer, Band 5
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Füger-Gsellhofer
- Band
- 5
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1859
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 426
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon