Seite - 13 - in Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Guadagni-Habsburg, Band 6
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Günther Günther
lichen Dogma zusammen. In der Philosophie
gibt eS bekanntlich außer der Vernunft keine
entscheidende Autorität, daher eine triftige über-
zeugende Beweisführung gegen G. nicht zu
erwarten sein wird. Ein anderes Resultat steht
zu erwarten, wenn der von Clemens einge-
schlagene Weg befolgt wird. Clemens ver-
wirft an G., daß er von den Kirchenvätern und
Scholastikern aussagt, sie seien in der Philo-
sophie heidnisch, d. h. platonisch oder aristote-
lisch gewesen und es müsse eine christliche Philo-
sophie an die Stelle ihrer Begriffe treten, denn
mit dieser Verwerfung verwerfe er zugleich das
kirchliche Dogma. Ferner wird geradezu als
unkatholisch verworfen, wenn G. die Philosophie
als selbstständia der Kirchenlehre nebenordnet,
Glaube und Wissenschaft als zwei ebenbürtige
Schwestern betrachtet; wenn er im Nomanis-
mus die „kirchliche Autorität ohne freie Wissen-
schaft" ebenso einseitig findet, wie die protestan-
tische „freie Wissenschaft ohne Auktorität"; wenn
er gar überhaupt Protestantismus und Katholi-
cismus als zwei gleich einseitige Extreme ansieht,
die in einem höhern dritten
sich
zu einigen haben.
Dann stellt Clemens die Bestimmungen der
Kirche und die Hauptlehren G.'s einander gegen-
über und weist auf die Abweichung der letzteren
von ersterer hin. — Clemens ließ der obigen
Schrift, nachdem Balh er für G. eingestanden
war, noch eine zweite folgen: „Die Abwei-
chung der Günther'schen Spekulat ion
von der katholischen Kirchen lehre,
bewiesen durch den Herrn Domkapi-
tular und Professor Dr. Balher in
seiner Schr i f t : „Neue theologische
Briefe an Dr. Anton Günther u. s. w."
Eine Replik" (Köln 1853, Bachem, K«.).
Hl. Wesen und Geschichte derV.'schen Philosophie.
Schon in I I . wurde auf einige Momente der
Günther'schen Philosophie hingewiesen, hier
folgt nunmehr eine gedrängte Darstellung ihres
wesentlichenInhalts und ihrer geschichtlichen Enb
Wickelung. Vor Allem suchte G. seine Svecu>
lation mit dem katholischen Dogma in Einklang
zu bringen. Vor zwei Decennien machte in der
katholischen Theologie eine ähnliche Angelegen
hcit viel von sich reden, nämlich der gleichfalls
mit dem Bann belegte Hermesianis m u ö.
Im Gegensatze zu G. hatte H erm e s den söge
nannten supra-natissalistischen Rationalismus
in der katholischen Theologie zu vertreten gesucht
und „im Gegensatz dcö Auctoriläts-Glaubens.
der nicht über den Zweifel zu erheben vermöge
die Bewährung der katholischen Kir-
chenlehre in der absoluten Nöthigung der Vernunft durch Beweise gefunden"; er hatte auf
den Grundlagen derspcculativen Kritik Kant's
seine Wissenschaft der Dogmatik aufgebaut. Im
Gegensatz zu dieser rationalistischen Nich»
tung erscheint G. als Repräsentant des „specu»
lativen Katholicismus" und gehört in den Kreis
der katholisch »theologischen Nom antiker,
deren Haupt Franz Baader ist. Wo Hermes
auf Kant zurückgreift, liegt Günth er'n Jacob
Böhme nahe. G.'s Creationstheorie
kann geradezu als Versuch angesehen werden, die
Vöhme'sche Weltanschauung auf die Form
des Begriffes zurückzuführen. Ein Blick auf die
(in der Biographie angeführten) Titel von G.'s
Werken, als „Peregrin's Gastmahl". „Süd-
und Nordlichter am Horizont der spekulativen
Theologie", „Ianusköpfe für Philosophie und
Theologie", rechtfertigen die Einreihung G.'s
unter die spekulativen Romantiker, zu denen neben
Baader auch noch Saint Mart in , Seng-
ler, Staudenmayer Windischmann,
Gö rres, Trorler zählen und welche parallel,
wie Hermes das Eindringen der Kantischen
Philosophie in die katholische Wissenscharft dar-
gestellt hat, ebenso entschieden die Berührung
des Schelling'schen — ja auch Hegel'schen
— Systems mit dem Katholicismus repräsen«
tiren. Während die außerhalb derKirche stehende
Philosophie (Hillebrand) G.'n vorwirft: „die
Folgerichtigkeit der philosophischen Gedankenent-
Wickelung preisgegeben zu haben an die scho«
lastische Tendenz, das katholische Dogma mit
speculatiuen Ideen in Einklang zu bringen",
bricht die orthodoxe Kirche über diese speculative
„Glaubensphilosophie" unbedingt den Stab,
und G. ist durch seine zwischen Philosophie und
Theologie vermittelnde Stellung zwischen zwei
Feurr gerathen. Was die Darstellung seines
Systems betrifft, so hat G. dasselbe mehr in
einzelnen Zügen gelegentlich seiner Polemik, als
in methodisch geordneter und zusammenhängen-
der Aufstellung entwickelt. Gegen den Heg el'°
schen Pantheismus ankämpfend knüpft es wie»
der an den Carre finnischen Dualismus an,
den es aber in neuer Gestaltung hinstellt, und
zwar in voller Berücksichtigung des ganzen Ver«
laufs der neuern Philosophie, sowie der Denk-
entwickelutMn des Mittelalters und der ersten
christlichen Zeit. Ein geistvoller Kritiker hat
anläßlich einer eingehenden Prüfung der G.'schen
Schriften ihn den „philosophischen Abraham von
Santa Clara" genannt, bei dem
sich
der Humor
entwickele aus jenem Kampf zwischen den
Schranken des mittelalterlichen Glaubens und
der modernen Geistesfreiheit, und aus dem un-
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Guadagni-Habsburg, Band 6
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Guadagni-Habsburg
- Band
- 6
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1860
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 502
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon