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Vünther Güntherode
stattfand; aber die Gesellschaft Jesu trat mit
Entschiedenheit gegen seine Lehre auf. Pater
Kleutgen wies in einer Schrift zur Recht-
fertigung der mittelalterlichen Philosophie die
neue Forschung in indirecter Weise zurück. Die
„OivMaOattoUoa" bezeichnete in einem Artikel:
„ I I ttiobsrtikniLino", G.'s Bemühen, ein Ver-
ständniß der Mysterien des Christenthums zu
gewinnen — ohne seinen Namen zu nennen —
für verwegenen glaubensgefährlichen Rationa-
lismus. In Deutschland selbst, namentlich in
Baiern, faßte man den Protest gegen die neue
Lehre ganz deutlich und klar in Worten, und der
in Baiern eingeführte Katechismus des Pater
ä« Nkrbs 8. ,7. warnt vor dem Eindringen
irrthümlicher, den Glaubensschatz gefährdender
Philosopheme, als welches das G.'sche aus«
drücklich bezeichnet wird. So weit waren die
Sachen gediehen, als von Rom aus die ganze
Angelegenheit mit der schon mitgetheilten Ver»
dammung der G.'schen Philosophie geendigt
ward und G. selbst durch rechtzeitige Unterwer»
fung unter dieses Urtheil allen weiteren Folgen
desselben die Spitze abbrach. So steht im
Augenblicke die Angelegenheit stille; ob sie aber
geendet ist, wird doch erst die Zukunft lehren. —
Die neueste deutsche Literaturgeschichte, die theils
mit den literarischen Zuständen in Oesterreich
wenig vertraut ist. theils sie vornehm ignorirt,
hat G.'s Wirken denn doch nicht ganz
übersehen. Nudolph Gottschall in seinem
Werke: „Die deutsche Nationalliteratur in der
ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts"
(Breslau 1853, Trewendt und Gramer) Bd. I I ,
S. 2t, charakterisirt G.'n folgendermaßen: „Mit
größerer Energie (als Troxler, Hermes,
Sengler u. A.) tritt Weltpriester Günther
in Wien als ein Selbstdenker des Katholicismus
auf, indem er seine Gedanken oft in der humo-
ristischcn Weise eines Abraham a, Laut«.
Olai-a. zu burlesken Sprüngen abrichtet.
Dieser Humor geht aus dem unglücklichen
Zwiespalte zwischen dem mittelalterlichen Glau-
ben und dem modernen Gedanken hervor, aus
dem Gefühle, daß er auf dem Boden des
Katholicismus ewig unentschieden bleiben muß.
Seine Angriffe auf die Zwingherrschaft des
logischen Begriffs sind von großer Entschieden-
heit und Keckheit. Das eigene System Gün.
ther's ist vollkommen dualistisch: es stellt
einen außerweltlichen Gott und eine außer-
göttliche Welt sich gegenüber. Die Unfaßbarkeit
der Idee Gottes für das menschliche Denken ist
die Voraussetzung dieser ganzen katholischen
Glaubens-Philosovhie deren frische, jeanpauli- sirende Form indeß einen eigenthümlichen
Neiz hat".
Günther, Franz Seraphin, siehe:
Gi'llltherr, Franz Seraphin. S. 16.
Gi'llltherode, Karl Freiherr von (theol.
Schriftsteller, geb. zu Fontefonto
im Mailändischen 1740, gest. gegen Ende
Okt. 1793). Sein Vater war kaif. Oberst.
Der Sohn trat 1738 — 18 Jahre alt
— in den Serviten-Orden zu Innsbruck;
wurde 1766 Lehrer der Rhetorik, Logik
und Metaphysik in seinem Kloster; nach
Aufhebung des Ordens der Gesellschaft
Jesu. 1773, öffentlicher Lehrer der Logik
und Metaphysik, und 1774 der Dog«
matik und polemischen Theologie an der
Hochschule zu Innsbruck. Wegen seiner
Schrift: „ <7<2nH'<F«z s/M^6^«s"^ wurde
er von seinen Ordensobern des Lehr«
amtes entseht und in dem 4 Stunden
von Innsbruck entfernten Kloster Maria
Waldrast gefangen gehalten. Nachdem
er freigegeben worden, erhielt er 4779
das Lehramt der Kirchengeschichte zu
Innsbruck und zugleich die theologische
Doctorwürde. 1781 begab er sich nach
Wien, nahm sich auf der Reise den Ser»
vitenbart ab und trug ihn in seiner
Tasche mit herum, weßhalb er nach seiner
Rückkehr in einen Proceß verwickelt
ward, den jedoch die Hofstelle 1733 zu
seinen Gunsten entschied. Im nämlichen
Jahre wurde er auch vor eine Commission
gestellt, vor welcher er sich über mehrere
Puncte seiner Lehre, betreffend die unbe«
fleckte Empfängniß Maria, den Bilder»
dienst, die Concilien, den Papst, die
Lehren vom Ablaß, von der Ohrenbeichte,
vom Fegefeuer, die Mittel zur Heiligung
durch Buße, Fasten u. dgl. m., vertheidi«
gen sollte. G. hielt seine Ansichten auf-
recht, die Vertheidigungsschrift wurde
den Acten beigelegt und nach Wien ge-
schickt. Nun wurde G. seines Lehramtes
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Guadagni-Habsburg, Band 6
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Guadagni-Habsburg
- Band
- 6
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1860
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 502
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon