Seite - 43 - in Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Guadagni-Habsburg, Band 6
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Guß
Jahre alt, vollzog er die erste Hinrichtung
und dann mehrere an verschiedenen Orten
an dem Tode verfallenen Verbrechern.
Neunzehn Jahre alt, erhielt er von der
Stadt Eger das Bestallungs.Decret als
wirklicher Scharfrichter mit 34 fl. Gehalt,
freier Wohnung, sechs Strich Kornde-
putat und den Hinrichtungssporteln. Da
letztere doch nur einige Mal im Jahre
abfielen, so warf sich Guß auf ärzt-
liche Behandlung kranker Menschen und
Thiere. Die graduirten Männer legten
ihm dabei manches Hinderniß in den
Weg; dafür lächelte ihm die Liebe. Er
hatte ein hübsches Mädchen aus guter
Familie so glücklich behandelt, daß sich
dasselbe aus purer Dankbarkeit in den
von Person ganz stattlichen Scharfrichter
verliebte und sich
von ikm, da die Familie
natürlich nichts von einer Verbindung
mit einem Scharfrichter wissen wollte,
entführen ließ. Aber kaum hatte er gehet«
rathet, so brachen die Existenzbedingungen
unter ihm zusammen. Kaiser Joseph
hob die Todesstrafe auf — und die
Scharfrichter wurden überflüssig. Jetzt
warf er
sich
ausschließlich auf die Behand-
lung von Kranken und cultivirte nebenbei
als Lieblingsbeschäftigung das Sammeln
alter Münzen. Er ließ sich oft als einzi-
ges Honorar, das er beanspruchte, von
einem durch seine Bemühungen genesenen
Kranken die Nachweisung geben, wo
Jemand im Besitze alter Münzen sei.
Diesen suchte er dann heim und handelte
die Schatze von ihm ein. Daneben nahm
er auck altc Gewehre, Schwerter, Lanzen,
Geräthe, Kruge, kurz Alles, dessen er
habhaft werden konnte. Seine Münz-
sammlungen waren von den Schwertern
garnirt, mit denen er die Hinrichtungen
vollzogen hatte. Dreißig Jahre sammelte
der unermüdliche Mann und machte
während dieser Zeit recht interessante und vornehme Bekanntschaften, da sich
sein Ruf immer mehr ausbreitete und
auch das Ausblühen des nur eine Stunde
von Gger entfernten Badeortes Fran»
zensbad eine immer mehr steigende
Zahl von vornehmen Fremden nach
Eger lockte. Mit Stolz erzählte Guß,
daß Goethe mit einer berühmten
Opernsängerin bei ihm ein Frühstück ein«
genommen. Als Guß alt wurde, sah er
sich nach einem Plätzchen um, wo er
sich selbst und seine Sammlungen ruhig
betten mochte, da ihn der Gedanke quälte,
daß die letzteren nach seinem Tode zer»
splittert werden könnten. Seine Samm»
lungen waren inzwischen auch so ange«
wachsen, daß die Münzen allein an reellem
Metallgehalt und abgesehen vom nunns»
malischen Werthe einen Betrag von
12.000 Gulden in Zwanzigern lepräsen»
tirten. Der durch seinen Briefwechsel mit
Goethe bekannt gewordene Magistrats»
rath Grüner aus Eger, Vater des
österreichischen Consuls in Leipzig, nahm
sich der Sache an und bestimmte den
Staatskanzler Fürsten Metternich, die
Sammlungen für das Schloß Königs»
wart zu requiriren. Man stellte dem
Premierminister von Oesterreich vor, daß
er doch füglich nicht mit einem Scharf»
richter unterhandeln könne. Aber Fürst
Metternich gab den Bescheid, „daß
dies nichts zur Sache thue, G. sei ein
allgemein geachteter wissenschaftlich ge>
bildeter Mann, mit dem zu verkehren
Niemanden zur Unehre gereiche." Guß
erwarb sich nun das Egerer Bürgerrecht
und trat dem Fürsten Metternich seine
Sammlungen gegen eine Leibrente von
300 fi. und die Custosstelle im Schlosse
Kömgswart ab, wo er bis zu seinem
Tode der treue Hüter seiner Schätze blieb.
Im Auslande circuliren ganz fabelhafte
Sagen über G. So erzählte man, daß
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Guadagni-Habsburg, Band 6
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Guadagni-Habsburg
- Band
- 6
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1860
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 502
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon