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was ihn in seinem Geschäfte sehr förderte.
M t neunzehn Jahren bewarb er sich
um den Preis in der Manufactur-Zeich
nungsschule; der zweite Preis wurde ihm
in Aussicht gestellt, sich aber um den ersten
zu bewerben, ihn vom Director der An-
stalt selbst abgerathen, da er in einem sehr
geschickten Collegen einen unbesiegbaren
Nebenbuhler habe. Phi l ipp aber ließ
sich's nicht ausreden, er warb um den er-
sten Preis, und erhielt ihn auch. Um das
Geld des ersten Preises kaufte Phi l ipp
Wolle, welche er nun in einen damals
neuen Stoff verarbeitete, und in sechs
Wochen waren aus den 60 st. 360 st.
erarbeitet. Damit beginnt sein selbstständi
ges Wirken. Es schien nun eine beffere
Zeit für den jungen Industriellen eintre-
ten zu wollen, als der Tod des Vaters
und dessen ungeschickt abgefaßtes Testa-
ment den Ruin des ohnehin kleinen Ver-
mögens herbeiführten. Jedoch die Energie
des jungen Mannes ließ ihn sich aus
den mißlichsten Umständen herausarbeiten,
wozu ihm ein Mädchen behilflich war, das
anfänglich im Hause arbeitete, später aber
seine Frau wurde, deren erfinderischer
Geist, rastlose Thätigkeit und völlige
Hingebung zum Geschäfte wesentlich bei»
trugen zu dem Flor, in welchem das Haus
gegenwärtig steht. Von entscheidendem
Einflüsse waren in dieser Zeit zwei Ereig»
niffe. Nachdem H. es. bis auf 60 Stühle
gebracht, quälte er sich mit Versuchen ab,
in den sogenannten glatten Organtinen
mit dem Auslande concurriren zu können.
Da brachte ihm der Besuch eines Jugend-
freundes, der in Paris arbeiten gesehen
hatte, mit Einemmale Licht; es hing an
demRegulator, den er schon Tags darauf
fertig hatte, und nun ging die Arbeit von
Statten. Das Zweite war die Nachah-
mung der gleichfalls aus dem Auslande
gekommenen Linons, nämlich, was die Steift und Klarheit desselben betrifft.
Nach vielen vergeblichen Versuchen ge-
lang es ihm eine Mischung zu Stande zu
bringen, und nach weiteren Mühen auch,
diese Mischung, was Anfangs sehr schwer
ging. auf den Stoff aufzutragen. Der
Erfolg war em ungeheurer und lohnender.
So mit Besiegung aller Hindernisse, die
sich ihm oft genug in den Weg stellten,
durch steißiges Studium der neuen Erfin-
dungen, durch stetes Vorwärtsschreiten
hob sich das Geschäft vom Jahre 1810,
wo es Phi l ipp mit seinem Gewinne so
zu sagen begründet, und nur mit wenigen
Webeftühlen zu thun hatte, zu einer Fa»
brikation, die heut in fünf verschiedenen
Etablissements ausgebreitet ist, u. z. in
Gumpendorf, von wo auch die oberste
Geschäftsleitung stattfindet; zu Eber«
gassing, wo sich die auf 12.000 Spin»
deln eingerichtete Baumwollenspinnerei
befindet; zuMitternd orf, welches zwar
im Jahre 1836 abgebrannt ist, aber nun«
<mehr neu aufgebaut wird; zu Hlinsko
in Böhmen, und seit1836zuBradford
in England. I n diesen fünf Anstalten
werden Jahr ein Jahr aus über 1009
Arbeiter verwendet. Die Arbeiten, welche
aus diesen Fabriken hervorgehen, sind Tep«
Pichstoffe aller Art, von dem kostbarsten
Wandteppich bis zum einfachen Lauftep»
pich, Damast in Seide und in Wolle,
Utrechter Sammt, Deckenstoffe, Tapeten
in verschiedenen Stössen. Die Erfolge,
welche Philipp Haas erreicht hat, sind
die sprechenden Beweise der Bedeutenheit
seiner Industrien. Schon in den Jahren
1839 u. 1843 erhielt H. in Wien goldene,
1844 in Berlin die silberne
Preismedaille,
1830 bei der deutschen Indusir.-Ausftllg.
in Dresden in Anerkennung seiner ausge»
sischen Civil-Verdienstordens, bei der gro-
ßen Industrie-Ausstellung zu London im I ,
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Guadagni-Habsburg, Band 6
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Guadagni-Habsburg
- Band
- 6
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1860
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 502
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon