Seite - 172 - in Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Guadagni-Habsburg, Band 6
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Habsburg — Elisabeth 172 Habsburg — Elisabeth
sah die Prinzessin 1781 auf einer Reise
nach Mümpelgard und im folgenden
Jahre kam sie mit ihrer Schwester, der
Großfürstin, nach Wien. Von nun an war
derKaiser, nach seinem eigenen Ausdrucke,
ihr Vater. Er hatte Iosepha Gräsin
von Chanc los , eine Frau, durch
Herz und Geist würdig des Postens, für
den der Kaiser sie bestimmt, zur Oberst-
hofmeisterin der Prinzessin ausgewählt.
Unter dieser Oberleitung wurde die Erzie«
hung der Prinzessin in einer dem Plane
der frühern entsprechenden Weise fort«
gesetzt. Pater Langenau machte
sie
mit
den Grundsätzen der katholischen Religion
bekannt, welche sie im December 1782
feierlich annahm. Sie konnte, so lange
sie nicht vermalt war, monatlich über-
400 Ducaten verfügen, welche sie zu
Geschenken und zur Unterstützung Noth-
leidender verwendete. Eines Tages bat
sie den Kaiser, von ihrem Gehalte
1000 st. jährlich an ihre frühere Erzie-
herin, die Freiin von Bork, abtreten zu
dürfen. Der Kaiser trug die zärtlichste
Sorgfalt für
sie, und als 1784der damals
sechzehnjährige Erzherzog Franz nach
Wien kam, gestattete ihm der Kaiser, sie
auf ihren Spazierfahrten zu begleiten.
Am 6. Jänner 1788 wurde sie an den
Erzherzog vermalt und Kaiser Joseph
freute sich innigst des vollen Gelingens
dieses einen seiner Pläne, des einzigen, der
ihm, wie es den Anschein hatte, ganz
gelang. Wenige Monate nach der Ver-
mälung zog Erzherzog Franz in's Feld,
um seinem Oheim dahin zu folgen. In»
dessen erfreute sich das österreichische
Haus durch die Hoffnung auf Nachkom«
menschaft; aber dieser Zustand der Erz»
Herzogin wurde durch des Kaisers. fort-
dauernde und sich steigernde Krankheit
sehr beunruhigt. Als am 15. Februar
1790 der Kaiser die letzte Oelung empfan- gen hatte, ließ sich die Erzherzogin, der
bis dahin ihres Zustandes wegen der
Besuch des hohen Kranken nicht gestattet
worden war, denselben nicht länger ver«
weigern. Damit sie durch seine Todes«
bläffe und Abgezehrtheit nicht erschreckt
werde, ließ nun Ioseph die Fensterladen
schließen und empfing die Erzherzogin
bloß beim Scheine eines in der Ecke
brennenden Nachtlichtes. Als der Kaiser
die ersten Worte mit bebender Stimme
sprach, wurde die Erzherzogin so erschüt-
tert, daß
sie zusammenbrach und in dieser
Ohnmacht hinausgetragen werden mußte.
Als sie wieder zu sich kam, gab er ihr
seinen Segen. I n der Nacht auf den
17. Februar empfand die Erzherzogin
die ersten Geburtswehen, gebar eine
Tochter, 3udovica, und war am folgen»
den Morgen selbst eine Zeiche. Diese un«
vorgesehene Todesnachricht, welche dem
Kaiser auf das schonendste war hinter-
bracht worden, griff den edlen Monar-
chen tief an, es war seine letzte Hoffnung
vernichtet. Elisabethens Verbindung
mit seinem Neffen Franz war sein Lieb«
lingswerk und ihm gelungen; wenige
Stunden vor seinemTode mußte auch dieser
zum Theil erfüllte Plan sich in nichts auf«
lösen. Dieß war der tödtlichste Stoß,
den Kaiser Joseph in seinen gezählten
letzten Tagen erhielt und der sein Ende
wesentlich beschleunigte; denn am 20. Fe-
bruar, vier Minuten nach fünf Uhr Mor»
gens, schloß der große Monarch für immer
seine Augen. Gl isabethens Tochter
Ludovica lebte zwei Jahre und starb
am 24. Juni 1792.
Gräffer (Franz), Iosephinische Curiosa oder ganz
besondere, theils nicht mehr, theils noch wenig
bekannte Persönlichkeiten, Geheimnisse, Details,
Actenstücke und Denkwürdigkeiten der Lebens' und
Zeitgeschichte Kaiser Ioseph's I I . (Wien 1848.
I . Klang, 8°.) Erstes Bändchen, Nr. IV, S. 66:
„Details über Joseph'S I I . letzte Lebenslage
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Guadagni-Habsburg, Band 6
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Guadagni-Habsburg
- Band
- 6
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1860
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 502
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon