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Habsburg — Maria Dorothea 43 Habsburg — Maria Dorothea
Werkzeug Gottes und handelte in diesem
Sinne. Ihre freundlichen, von religiöser
Weihe durchdrungenen Worte, waren ein
kräftiger Trost und machten manche ihrer
Gaben auf ewig unvergeßlich. Einem
todtkranken Prediger, von dessen Noth
und Leiden sie durch fremde Menschen
zufallig hörte, schickte sie einst einen Brief
mit 100 fl. C. M. und den freundlich
tröstenden Worten: „Der Herr legt seine
Gaben in unsere Hände, damit wir sie
weiter fördern." Die Armen in der Leo»
poldstadr in Wien erhielten durch den
katholischen Pfarrer ebenso regelmäßig
bedeutende Unterstützungen, wie die evan-
gelischen Armen, Witwen und Kranken
durch die dem evangelischen Prediger in
Ofen eingeschickten regelmäßigen Liebes-
gaben betheiligt werden konnten. Aus
allen Theilen der Monarchie, ja auch
vom Auslande liefen bei der erlauchten
Frau wöchentlich zahlreiche Bittschriften
ein, und nie blieb eine unberücksichtigt,
wo wirkliche Noth nachgewiesen ward
und die Mittel und Kräfte ausreichteil.
Die evangelischen Gemeinden im großen
Kaiserreiche wendeten sich mit besonderem
Vertrauen an die Erzherzogin, so oft eine
Schule oder Kirche zu erbauen war.
Einen Prediger, der durch Grübeln über
die Geheimnisse der Dreieinigkeit geistes«
krank geworden war, ließ die edle Frau
Erzherzogin mehrere Jahre im Auslande
auf ihre Unkosten in eine derartige
Heilanstalt bringen, um ihn für seine
Gemeinde und Familie wieder herzustel-
len. Arme Gelehrte und amtlose Lehrer
verließen nie unbeschenkt ihre Schwelle.
Jeder wahrhaft religiöse Mensch war ihr
werth und theuer. Die Israeliten fanden
in ihr einen Engel, der sein mildes Für-
wort auch dann einlegte, wenn es Nicht«
christen zu Statten kommen sollte. Auf
Verfolger der Juden war sie übel zu sprechen. Der Proselytenmacherei war sie
vom Herzen abhold, freute sich aber, wenn
Jemand aus wahrer innerer Neberzeugung
sich zu Christo bekannte. Einen Araber,
der vor 44 Jahren nach Ofen kam, um als
Derwisch am Grabe des auf dem Cal«
varienberge beerdigten türkischen Heiligen
zu beten, ließ die erhabene Frau zu sich
kommen und beschenkte ihn. Die Worte,
die nun die Erzherzogin zu dem frommen
Pilger des Orients sprach, machten auf ihn
einen solchen Eindruck, daß er in Thränen
zerfloß und nach seiner Heimkehr aus dem
fernen Morgenlande mehrere Fläschchen
von dem weltberühmten Rosenöl zum
Zeichen seiner Erinnerung mit der Bitte
einsandte, es von ihm, als einem armen
und geringen Manne anzunehmen und
nicht zu verschmähen. Vor aller 3üge und
allem Unrecht hatte sie ungewöhnlichen
Abscheu und durch eine einzige Unwahr,
heit oder Falschheit konnte man ihre
Gunst für immer verscherzen; hingegen
war sie wieder milde und versöhnlich, wo
Menschen ihre Fehler aufrichtig crkann»
ten und vergaß und vergab besonders
leicht solche Kränkungen und Beleidigun»
gen, die sie persönlich betrafen. Einer
ihrer Biographen schreibt noch über die
Erzherzogin: „Man frage Straßen auf,
Straßen ab in der Leopoldstadt (wo sie
unter dem Namen der „Erzherzogin
Dorothee" im Volksmunde lebt) und es
werden allüberall Arme und Nothleidende
rührende Geschichten von ihrer wohl»
thätigen Hilfe zu erzählen wissen. Das
Angartenpalais, das sie bewohnte, war
eine Oeoke im eigentlichen Sinne des
Wortes; wer bekümmerten Herzens war,
fand bei ihr Trost und sie half überall
und jederzeit, wenn es in ihren Kräften
stand. Sie übte die hohe Tugend der
Nächstenliebe im hochpriesterlichen Sinne
des Evangeliums. Dem letzten ihrer
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Habsburg-Hartlieb, Band 7
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Habsburg-Hartlieb
- Band
- 7
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1861
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 472
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon