Seite - 116 - in Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Habsburg-Hartlieb, Band 7
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Habsdurg — Philipp 116 Habsburg — Philipp
Krone aufsetzte, auf einen Tisch vor sein
Bett hinstellen. Phi l ipp hat, nach eige-
nem Geständniß, einer grausamen Politik
20 Millionen Menschen geopfert; unglück«
licher Weise gaben die Umstände der Zeit,
und besonders die damaligen Religions-
bewegungen, seinem Charakter eine für
das menschliche Geschlecht so verderbliche
Richtung. Es lag nicht in seiner Erzie-
hung, daß er so finster, so argwöhnisch
und grausam wurde. I n den Niederlan-
den, wo er erzogen wurde, konnte sich
jede liebenswürdige Eigenschaft des Pri-
vatmannes, selbst am Hofe, entwickeln,
llnd wie lehrreich hätte für ihn die Regie.
rungSgeschichte seines Vaters, Karl's V.,
sein können! Aber kaum nach Spanien
gekommen, veränderte sich sein ganzer
Charakter. Wahrend einer 42jährigen
Regierung verließ er nur selten sein ein«
sames Cabinet. Von hier aus setzte er
die ganze Welt in Bewegung. Seine
Minister und Räthe wußte er so zu
beherrschen, daß es seinerseits selten eiues
Wortes, sondern meistens nur eines Win»
kes bedürfte, um ihnen seine Befehle
bekannt zu machen. Anders, als auf den
Knieen, konnte man
sich
ihm weder nähern,
noch mit ihm sprechen. Für die Deutschen,
die sich an seinem Hofe befanden, war
diese Sitte sehr auffallend und lästig.
Als man es einst wagte, ihm hierüber
Vorstellungen zu machen, sagte er: „Er
lasse
sich deßwegen auf den Knieen anreden,
weil es ungeschickt wäre, wenn er, als
ein kleiner Mann, gegen die Unterthanen,
die an Gestalt größer seien, als er, hinauf,
statt als Monarch auf sie herunter sehen
müßte." Seine stolzen Begriffe von der
Größe eines Beherrschers der spanischen
Monarchie verließen ihn selbst in den
Tempeln und vor dem Angesichte der
Gottheit nicht. Er erschien darin immer
mit bedecktem Haupte, und pflegte auch bei Erhebungen der consecrirten Hostie
seinen Hut nicht abzunehmen. Seine
Gesandten an auswärtigen Höfen mußten
bei gottesdienstlichen Handlungen die
nämliche Etikette beobachten. Interessant
ist die Charakteristik, welcheD es Essarts
in seiner „Allgemeinen Geschichte der Tri-
bunale aller Völker" (Paris 1778) von
Phi l ipp entwirft. Es heißt darin: König
Phi l ipp war von kleiner, aber ange-
nehmer Gestalt, und hatte die sogenannte
burgundische Unterlippe; war weiß und
blond, daß er eher einem Flamlander, als
einem Spanier ähnlich sah. Seine körper-
liche Constitution war schwach, außerdem
häusigen Ohnmachten unterworfen, die
man den Folgen seiner Ausschweifungen
zuschrieb. Von finsterm Charakter und
angstlich aufmerksam auf seine Würde,
machte er sich und denen, die ihn um-
gaben, jedes Verhältniß schwer und
traurig. Er ließ
sich selten öffentlich sehen;
er sprach nur in halben Worten und
wollte errathen sein. Gegen Niedrige
so herablassend, daß er jeden Bauer
grüßte, verlangte er von den Großen
eine so ängstliche Ehrfurcht, daß er einst
den Herzog von Alba, welcher mit
einer dringenden Angelegenheit in sein
Zimmer trat, mit den Worten anfuhr:
„Weißt du, daß solche Vermeffenheit das
Schaffot verdient?" Er rühmte sich selbst,
nicht mehr als dreimal in seinem 3eben
getanzt zu haben. Niemand hatte ihn
je lachen gesehen, und seine Fröhlichkeit
war eine so außerordentliche Erscheinung,
daß es die Geschichtschreiber ausdrück»
lich bemerken: „Wie ihn sein sonstiger
Gleichmuth bei der Nachricht von der
Eroberung Antwerpen's so weit verlassen
habe, um an die Zimmerthüre seiner
ältesten Tochter zu treten, und ihr zuzu-
rufen: Antwerpen ist unser!" Diesen
Gleichmuth behielt er aber auch unter
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Habsburg-Hartlieb, Band 7
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Habsburg-Hartlieb
- Band
- 7
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1861
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 472
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon