Seite - 99 - in Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Hartmann-Heyser, Band 8
Bild der Seite - 99 -
Text der Seite - 99 -
99
kein Blatt in Böhmen zu erfreuen gehabt.
Erclusiv slavisch bis zur äußersten Con«
sequenz führte H. eine Sprache, welche
das deutsche Element, auf welchem doch
alles öechische geistige und literarische
Leben eigentlich fußt, auf das Entschie«
denste bekämpfte und seinen Anhang mit
jedem Tage mehrte. Die Wirren des Jah-
res 1848 trugen das Ihrige bei, diese
bedenkliche Stimmung zu steigern. War
er in den zwei genannten Journalen noch
an manche Rücksicht gebunden, so benutzte
er die neuen ordinmgslofen Verhältnisse,
um die letzten Schranken, die ihn sich
ganz gehen zu lassen hinderten, zu besei-
tigen, und er gründete, von Albert
Grafen Deym unterstützt, ein neues
Organ für sich und seine Partei, die
„^aroäni novii i)^ d. i. Volksthümliche
Neuigkeiten, welches vom 1. April 1848
bis 18. Jänner 1331 unmittelbar unter
seiner Leitung oder doch in seinem Geiste
und ganz von ihm beeinflußt erschien.
Mit Hilfe dieses neuen Blattes, dem er
die Färbung der aufgeregten Zeit trefflich
zu geben verstand, und das nur der Aus«
druck seines politischen Glaubens, Mei-
nens und Hoffens war, spielte er eine
einfluß- aber wemg segensreiche Rolle,
öechischer Volksmann, entschiedener Anti»
germane mit Wort, Schrift und That,
hervorragender Theiluchmer des pcmsla-
vistischen Congresses im Juni 1843 und
Mitglied des Nationalallsschusses, entfal-
tete H. eine rastlose Thätigkeit, in welcher
er seinen vorwiegend föderalistischen Ten-
denzen mit allem Aufgebote seines Geistes
Eingang zu verschaffen bemüht war.
Stellten sich ihm noch irgendwo Hinder-
nisse entgegen, so vernichtete er dieselben
mit den schonungslosesten Ausfällen und
verhöhnenden Spöttereien, welche er aus
dem von ihm gegründeten Witzblatte
«, d. i. der Kobold, auf alle Geg- ner und Andersdenkenden unbarmherzig
schleuderte. Unter solchen Verhältnissen
erklärt sich seine Wahl in den constituiren-
den österreichischen Reichstag, in den ihn
der Wahlbezirk Humpoleä wählte, von
selbst. Im Reichstage war seine Thätig-
keit sehr untergeordneter Art; in der
40. Sitzung (11. September 1848) stellte
er ein Amendemenr in der Sprachenfrage
und erklärte selbst, „so viel praktische Ein-
sicht zu besitzen, um nicht zu verlangen,
daß man im Parlamente in seiner sder
öechischen) Sprache verhandeln solle";
ferner erscheint sein Name unter dem Auf.
rufe der oechischen Deputirten, datirt Prag
vom 10. October 1848, worin diese
(darunter Palacky, Rieger. Brau<
ner, Hamerniku.A.) ihre Gesmnuiigs»
genossen zu einer Besprechung auf den 20.
October in Brunn einladen, um dort über
die Maßregeln zur Sicherung der parla-
mentarischen Verhandlungsfreiheit und
der ungefährdeten Existenz des constitui«
renden Reichstages im Interesse der Ge>
sammtmonarchie zu berathen. Man erklärt
die untergeordnete Rolle, welche H. in
dieser Versammlung wider Aller Erwarten
spielte, mit seiner mangelhaften Kenntniß
der deutschen Sprache, die nicht geläugnet
werden kann; obwohl wieder Andere die
Ansicht aussprachen, daß sein oratorisches
Talent, gewöhnt eben an den grotesken
Styl der Massenagitation, sich mit der
parlamentarischen Gemessenheit nicht zu
befreunden vermochte. H. legte also Ende
1848 sein Mandat nieder, kehrte nach
Prag zurück, und fuhr fort, durch sein
öechisches Oppositionsjournal „^aroäni
novin^" auf die Massen zu wirken. Nun
entstanden die zu jener Zeit bekannten und
in ganz Böhmen gesungenen Spottlieder
auf Schuselka, das Frankfurter Parla»
ment, das deutschfreundliche Ministerium
Stadion u. A<, als deren Verfasser
75
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Hartmann-Heyser, Band 8
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Hartmann-Heyser
- Band
- 8
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1862
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 514
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon