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Haydn Joseph Haydtt Joseph
Chorknabe von Reuter nicht mehr ver
wendet werden konnte, wurde er entlassen
Joseph zahlte nun 46 Jahre und stand
allein in der Welt. Kümmerlich mußte er
sich forthelfen durch Unterrichtgeben in
Musik, durch Mitspielen in Chören und
Orchestern. Er bewohnte damals ein
armseliges Dachstübchen im Hause 1220
am Michaelerplcche, im nämlichen, in
welchem Metastasio wohnte. In seinem
Verschlage unter dem Dache studirte H.
die Nacht über Bach's Sonaten, nach-
dem er schon früher Math eso n's „voll'
kommenen CapeUmeister" und Füren's
„ArÄäuL aä?arna.ZLum" durchgearbei-
tet hatte. Als Metastasio von dem
jungen Musikus in der Dachstube, der an
seinem alten wurmzerstochenen Spinett sich
übte, erfahren hatte, wählte er ihn, um
dem Fräulein Mart inez, das Meta«
stasio erziehen ließ, Gesangunterricht zu
ertheilen. H. erhielt dafür freie Kost. Bei
Metastasio lernte H. auch den alten
klkestro äi Oaxella Porpora kennen.
Dieser unterrichtete die Geliebte des
venetianischen Gesandten Correr im
Gesänge. Die Begleitung am Piano über-
trug Porpora an Haydn, nahm ihn
auch, als Correr mit seiner Dame nach
Mannersdorf in's Bad reiste und P o r>
pora folgte, dahin mit, wo H. bei
Porpora Bedientendienste zu verrichten
hatte, an Correr's Ofsiciantentafel
speiste und monatlich 6 Ducaten Hono-
rar erhielt. Das waren die Dornenpfade,
welche der Genius durchschreiten mußte,
um den Gipfel des Ruhmes zu erreichen.
Drei Jahre verbrachte H. in diesen kei-
neswegs lockenden Verhältnissen, studirte
fleißig und componirte auch; aber erst
ein Baron von Fürnberg weckte den
Genius der Composition in ihm. Fürn»
berg veranstaltete auf seinem Beschthume
in Weinzierl, in Wiens Nähe, kleine ! Concerte, bei denen sich auch H. öfter
einfand. Auf einem derselben trug H. sein
auf Fürnberg's Aufforderung compo>
nirtes erstes Quartett ssehe: IV. Zur Ge»
schichte einzelner CompositionenHciydn's,
Nr. 1^ vor und erntete damit solchen Bei-
fall, daß in ihm die Lust, weiterzuarbeiten,
geweckt wurde. Haydn zahlte damals
13 Jahre. Nach uud nach verbreitete sich
der Ruf seiner Geschicklichkeit, er wurde
als Lehrer gesucht, seine Stunden besser —
monatlich zuerst mit 2, dann mit 8 fl. (!)
— bezahlt, uud er in die Lage versetzt,
sich nach einem besseren Quartiere umzu<
sehen. Da suchte ihn das Schicksal wieder
schwer heim, er wurde um seine kleine
Habe bestohlen. Als er sich an seinen mit-
tellosen Vater um eine Aushilfe wendete,
kam dieser nach Wien, gab dem Sohne
ein Siebenzehnkreuzerstück und die Lehre:
„Fürchte Gott und liebe Deinen Nach.
sten"; aber nicht diese, sondern die Gut»
müthigkeit fremder Menschen ersetzten ihm
seinen Verlust. Um diese Zeit war Haydn
Vorspieler bei den barmherzigen Brüdern
in der Leopoldstadt für jährliche 60 fl.,
Orgelspieler in der damaligen gräflich
Haugwitz'schm Capelle, und wurde für
eden Gottesdienst mit 17 Kreuzern be.
zahlt. Da siel es wie ein Lichtblick in sein
armseliges Dasem, als er durch eine Be«
kanntschaft mit K u rz, genannt Bernar«
don ss. d. Bd. I, S. 324^, von diesem
aufgefordert wurde, eine Oper zu compo»
niren. und H. mit seinem „KrummenTeufel"
— nebenbei gesagt eine Satyre auf den
hinkenden Theaterdirector Aff l igio,
welche schon nach der dritten Aufführung
verboten wurde — seine Aufgabe so zu
Bernardon 's Zufriedenheit löste
(1733), daß ihn dieser mit 24 Ducaten,
eine Summe, wie sie H. noch nie beses.
'en hatte, honorirte. Auch andere Com«
Positionen schrieb H. in jener Zeit, von
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Hartmann-Heyser, Band 8
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Hartmann-Heyser
- Band
- 8
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1862
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 514
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon