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Haydn Joseph 112 Saydn Joseph
Haydn's Geist sammeln, vollends ver^
tiefen, und er mit jener Ruhe componi
ren, welche seine Werke allgemein charab
terisirte. Zur Winterszeit kam H. öfters,
aber nicht immer, auf einige Monate nach
Wien; selbst da galt es, für den Früh-
ling und Sommer, wenn sich die Besuche
in Eisenstadt und Eßterhäz häuften,
Neues vorzubereiten. Gewiß ist es aber,
daß eben dieses einförmige Leben für den
productiven und reichen Genius Haydn's
am förderlichsten war. Voll des Dranges,
das ihm so klar vorschwebende Ideal
der musikalischen Kunst immer mehr in
das Leben treten zu lassen, unterstützt
dabei von einem gewandten Künstlerchor,
das ihm ganz zu Gebote stand,
mit dem er im engen freundschaftlichen
Krei.se gewissermaßen unter Einem Dache
lebte, das sein herrliches Talent — unei>
schöpflich an neuen Ideen, Formen und
Effecten, genial nach allen Richtungen
ausgreifend — bewunderte, seinen gemüth-
vollen Charakter, sein gutes Herz liebte,
das nichts Heiligeres kannte als seinem
Fürsten, seiner Kuust und seinen Mitbrü-
dern zu leben, unangetastet von
Neid und hemmender Entgegen-
setzung, die so viel in der Künstlerwelt
schaden, geachtet und bewundert von
allen Fremden, die in so großer Anzahl
nach Eisenstadt kamen — worunter die
angesehensten Personen, selbst die Kaiserin
MariaTheresia, Fürsten und Grafen
sich befanden — und ihn entweder hier
kennen lernten, oder bereits mit seinen
vielen, besonders im Auslande mit dem
größten Beifalle aufgenommenen Kom-
positionen vertraut waren, was konnte,
was mußte Haydn hier nicht leisten!
So erzog er sich und die Kunst, so bildete
er aus der Kraft und Fülle sei lies schöpferi-
schen Geistes „die Grundlage jener
neuen Kunstwelt, deren herrliche Blüthen» zeit uns entzückt". Von den Compositko-
nen, die in diese Zeit fallen, sind. außer
den vielen Varitonstücken, 163 an Zahl,
die er für das Lieblingsiustrument sei-
nes Fürsten componirte und den vielen
Divertissements, Concerten, Quartetten,
82 an Zahl, Sonaten, Liedern, Ca»
nons u. dgl. m<, insbesondere zu bemer-
ken die Opern und Operetten: „ 5o His-
s/a/s" (4768), „5s ^sse^'in'« (1770),
„Philünon nnü Nnncib" (1773), „/>'in/e-
cks^tt ^/«sa" (l773), .,//?)wn
(1777), ),D/^« (1778),
^'tt/a" (1780), „^c/cös
^sa« (1783), ,,^-m^a" (1784), das.Orato-
rium ,,/7 ?Vio?'Ao H'!?c,5/5i", welches seit
dem Brande des Schlosses Eisenstadt ver«
loren geglaubt, aber durch Franz 3 ach-
ner's Bemühungen wieder gefunden
wurde, die Cantate „I/Vsoöa <A'saö//<2?a"
(1783), wozu H. Metastasio den Text
geschrieben hatte; „Nie Sieben Varir t>r5
, ein vielbesprochenes Oratorium,
welches ein spanischer Domherr aus
Cadiz bei Haydn bestellt hatte, und
wozu erst später eiu Domherr aus Paffau
einen deutschen Tert schrieb, mit welchem
es bei Breitkopf (l.801) erschien; und
schließlich die sechs im Jahre 1787 com>
ponirten, dem Könige von Preußen ge-
widmeten „Quintetten", wofür ihn dieser
mit einem prachtvollen Ninge beschenkte,
den H. späterhin, wenn er sich begeistern
wollte, gleichsam als einen Zauberring an
seinen Finger steckte. Ein großer Theil
dieser Compositionen ist zu besonderen
Gelegenheiten gearbeitet; aber H. besaß
darin volle Freiheit/ denn sein Fürst, ein
'einer Musikkenner, wußte den Genius
seines Kapellmeisters vollends zu würdi«
gen. Nur der Tod konnte dieses schöne
Band zwischen Schützling und Mäcen
lösen, und er löste es auch nach 3i)jähri-
ger Verbindung. Fürst Nikolaus starb
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Hartmann-Heyser, Band 8
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Hartmann-Heyser
- Band
- 8
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1862
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 514
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon