Seite - 141 - in Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Hartmann-Heyser, Band 8
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Haydn Joseph Zaydn Michael.
Musik, ebnete ihr rauhes Wesen, und so ward
er, wie M. im Süden, im Norden der Schöpfer
eines neuen Styls, der die Anmuth des SĂĽ-
dens mit der Kraf t des Nordens ver>
einigte. — M. gab der Anmuth des Südens
die Kraft des Nordens. — Dem ungeachtet
wuchsen beide Blüthen auf Einem Stamme —
des ästhetisch Schönen. — Beide Künstler ver-
banden Kraft mit Anmuth, den Doppelkranz
des Schönen in sich und den Nationen, deren
Geschmack sie bildeten. I n beiden war vereint
vorhanden, was sie einzeln zu geben schienen.
— M. wird wegen seiner tiefen gründlichen
Harmonien geschätzt, H. wegen seiner Natur«
lichkeit und Grazie. Dennoch sind beide in der
Harmonie gleich groß, gleich stark und kräftig.
— M. suchte seine Melodien mit der Kraft der
Harmonien zu bekleiden, H. versteckt seine tiefen
Harmonien unter Nosen und Myrthengewinden
seiner Melodien. — M. drängt unaufhaltsam
durch Tonströme, kämpfend wie der jugendliche
Held; H., wandelt gemächlich wie der ruhige
Weise auf Blumengefilden der erquickenden
Ruhestätte zu. — M. erscheint plötzlich, prächtig
und groß, majestätisch wie der Blitz oder die
Sonne, wenn sie unerwartet aus dem Wolken-
dunkel hervortritt. — H. bereitet vor wie ein
heiterer FrĂĽhlingstag aus sanftem Morgenlicht.
Er schafft sich erst ringsumher den Himmel, in
dem sich seine Erwählten freuen sollen, wenn
M. wie ein Sohn des Lichts plötzlich uner»
wartet unter die Sterblichen tritt und
sie
mit all«
mächtigen Arm im unaufhaltsamen Fluge hoch
zum Olymp emporreißt. — H.'s Genius sucht
die Breite, M.'s Höhe und Tiefe. — H. führt
uns aus uns heraus, M. versenkt uns tiefer in
uns selbst und hebt uns ĂĽber uns, daher malt
H. auch immer mehr objective Anschauungen,
und M. die subjektiven GefĂĽhle. Zum Beleg:
H.'s Malereien in den Oratien die „Schö»
pfung" und „Jahreszeiten" und M.'ö in seiner
„Zauberflöte", „Tituä" und sein Seelengemälde
des verklärten und vollendeten Geistes im „Re-
quiem". — Aber beide Genien stehen gleich
kraftvoll, gleich anmuthig da und wandeln so
unter den Schatten, wie sie von uns ausgegcm»
gen sind. — M. starb in seiner schönsten Blü-
thenzeit und sein Geist schuf ein vollendetes
Meisterwerk des höchsten Ernstes. — H. ging
als lebenssatter Greis von hinnen, und schuf
als solcher — ein Jüngling am Geiste, eine
neue Schöpfung und einen neuen Frühling,
einen glĂĽhenden Sommer (in den Jahreszeiten)
im Winter seines Erdenlebens. — M. behauv»
tete in seinem letzten Werke den, Charakter, der sich in seinen früheren ausspricht — gegen sonst
in tiefer Harmonie. — H. nahm Abschied wie
er kam; denn seine letzten Producte des vollen-
deten Greises athmen die FĂĽlle und Anmuth
des Jünglings. — Jeder von beiden be-
hauptet seine Originalität; aber beide sind die
Schöpfer eines guten Geschmacks." — In
einem anderen Vergleiche Ha ydn's mit Mo«
zart heißt es treffend.- „Bei Mozart ist
mehr Leben und Handlung, Haydn ist
gedankenreicher. Bei Haydn ist das
GefĂĽhl, bei Mozart die Leidenschaft
vorherrschend. Wmn Mozart freudig jubelt,
wenn er uns mit erhabenem EntzĂĽcken, mit
Angst, Entsetzen und Geisterschauer ergreift,
oder mit dem Tone der Schwermuth und Ver-
zweiflung unser Herz bluten macht, erfĂĽllt
uns Haydn,mit zufriedener Heiterkeit, mit
sĂĽĂźer Wehmuth, mit Andacht und sanfter
RĂĽhrung. Kurz, Mozart ist mehr episch
und dramatisch, Haydn mehr roman»
tisch und didaktisch. Schon der Gegenstand
und Charakter der von beiden fĂĽr Gesang
gewählten Dichtungen deutet diese Unter-
schiede an."
Ăźahdu, Johann Michael (Tonkunst,
ler und erzbischöflicher Orchesterdirector
zu Salzburg, geb. zu Nohrau in Nie«
derösterreich an der ungarischen Grenze
. September 1737, gest. zu Salz.
bĂĽrg 10. August 1306). Bruder des
Vorigen. Ueber seine Eltern ist schon in
deffen Biographie Näheres berichtet wor>
den. Gleich seinem Bruder empfing auch
er von seinem Vater die erste Ausbildung
des Talentes, in dem er später so Großes
zu leisten berufen war, und kam gleich
seinem Bruder in das Capellhaus zu
St. Stephan in Wien, das unter Reu«
ter's Dkection stand. Als Sängerknabe
zeichnete sichI oh ann Mi chael,oderwie
er gemeiniglich genannt wird, Michael,
durch seine reine Sopranstimme und den
besonders weiten Umfang derselben (vom
einfachen bis zum dreimal gestrichenen 5)
aus. Durch seinen Gesang erregte er ein«
mal (14. November 1748) die Aufmerk-
amkeit der Kaiserin Maria Theresia
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Hartmann-Heyser, Band 8
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Hartmann-Heyser
- Band
- 8
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1862
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 514
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon