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T i ro l 22. Mai i832). War der Sohn
unbemittelter Bauersleute. Im Jahre
4803 kaufte der Vater ein kleines
Anwesen im Dorfe Völs bei Innsbruck,
wohin er auch mit seiner Familie über-
siedelte. In der Dorfschule erhielt Joseph
einen unzulänglichen Unterricht, erlernte
aber doch fertig lesen und incorrect
schreiben. Sein Kunstschnitzersinn scheint
durch den Anblick der sogenannten Weih-
nachtskrippen, die er hie und da in
Kirchen und Privathäusern sah, wach
gerufen worden zu sein, und er begann
auch zuerst kleine Krippenfiguren zu
schnitzen. Doch erlaubte ihm die Feld'
arbeit nicht, sich viel damit zu beschäf»
tigen; er fing also immer wieder etwas
an, warf es dann weg oder verbrannte
es. Um aber etwas, was ihm besonders
gefiel, nicht aus dem Gedächtnisse zu
verlieren, zeichnete er es sich so gut er
konnte auf, um später darnach zu
schnitzen. So wurde er sein eigener Zeich»
nenlehrer. Aber sein Vater eiferte gegen
diese Beschäftigung, die ihn, wie er sagte,
der Feldarbeit entzog, und verweigerte
ihm jedes Geld, damit er nicht Papier,
Holz und Bleistift kaufen konnte. Hel l
schnitzte nun heimlich und erhielt für
manche Kleinigkeit etliche Kreuzer. Aus
dieser Zeit sollen noch hie und da gemeine
Knotenstöcke mit von ihm geschnitzten
Vögel« und anderen Thierköpfen im
Besitze von Privaten sich vorfinden.
Ganz machtig erwachte aber der künst-
lerische Drang in ihm, als er die Colin'-
schen Marmortaftln von ganz erhabener
Arbeit am Mausoleum des Kaisers
Max imi l ian in der Hofkirche zu Inns-
bruck zum ersten Male sah. Alexander
Col in, wie er selbst öfter sagte, war
so ganz eigentlich sein Vorbild und sein
Lehrer. Aber es blieb noch immer bei
Kleinigkeiten; landschaftliche Darstellun- gen zogen ihn zumeist an und so schnitzte
er Thiere in verschiedenen Stellungen
und ' Wendungen, den Baumschlag in
allerlei Formen und Gestalten. Erst im
Jahre 1822 — Hel l zählte damals
schon 33 Jahre — gab ein glückliches
Ereigniß Veranlassung, daß sich H. nun
ausschließlich der Kunst widmete. Als
im genannten Jahre Kaiser Franz I..
Kaiser Alexander und König Fried«
rich Wi lhelm über Tirol zum Con»
gresse nach Verona reisten, überreichte
Hel l den zwei letztgenannten Monarchen
die fein im Kleinen geschnitzte Büste
Andreas Hofer's. Für dieses Kunst»
werk wurde er ansehnlich belohnt. Jetzt
legte auch der Vater dem Sohne nichts
mehr in den Weg und H. wurde Bild»
schnitzer. Er arbeitete nun ohne Unter»
richt zu nehmen aus Birnbaumholz,
dessen er sich gewöhnlich bediente, nach
den Zeichnungen des Jacob Placidus
Al t mutter zwei Tafeln in ganz erha»
bener Arbeit. Die eine stellt ein „Tillllcr
Vll:iern5chirZ5?n", die andere einen „Hiller-
tlialrr Namrntanz" vor. Nun beschloß er
nach München zu gehen und sich dort
durch Unterricht an der Akademie und
Beschauen und Studien der zahlreichen
Kunstwerke, welche München besitzt, zu
bilden. Das Ferdinaudeum bewilligte
ihm für zwei Jahre eine jährliche Unter»
stützung von 400 fl., so trat er am
22. Februar 1824 seine Reise nach
München an. Dort fand er an Professor
Seitel einen wohlwollenden Förderer
seines Talentes. Auch gelang es ihm.
eine der oberwähnten Tafeln dem Könige
Max Joseph zu überreichen, der ihn
dafür ansehnlich belohnte und auch
später durch wiederholte Unterstützungen
förderte. Die Schnitzerei kam aber in
das kön. Elfenbeincabinet. Auf den Rath
einiger Freunde der Antike versuchte sich
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Hartmann-Heyser, Band 8
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Hartmann-Heyser
- Band
- 8
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1862
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 514
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon