Seite - 158 - in Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Jablonowski-Karolina, Band 10
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Zellinek Mmek
feste derThora öffentlich vor. Ein Faden,
der durch sein Leben bis zur reiferen Selbst-
siändigkeit sich zieht, ist. daß er seinem
Bruder Adolph überall nachfolgte.
Kaum war sein älterer Bruder in Proß
nitz, so kam H. auch hin. Das Talmud
studimn befriedigte ihn jedoch nickt, und
schon in Proßnitz widmete er fast seine
ganze Zeit der Erlernung von Sprachen,
in denen er von seinem Bruder Adolph
unterrichtet wurde. Als sein Bruder nach
Prag ging . kam er ihm in etwa
zwei Jahren nach. Dort trat ein Wende»
punct in seinem Leben ein. Mit beispicl'
losem Fleiße, mitunter materiellen Ent<
behrungen, warf er sich aufdaä Studium
der lateinischen Literatur, der Philosophie,
besonders der K ant'schen, und so wenig
Talent er in seiner Kindheit verrieth, so
zeigte er jetzt, daß er für die Spekulation
geschaffen sei. Er schrieb in jener Zeit
auch Hunderte von Gedichten, die er
drucken lassen wollte, die er aber plötzlich
alle verb rannte. Nacb Leipzig ging er
einige Wochen früher als sein Bruder
Adolph und besuchte dort die Hoch»
schule. Die ersten zwei Jahre wohnten
die Brüder zusammen, studirten mit ein-
ander Philosophie, dann bezog jeder eine
besondere Wohnung, da ihre Richtung
auseinander ging. Adolph war ruhi»
ger, besonnene. Hermann stürmischer,
den Extremen eines Bruno Bauer zu<
geneigt. Hermann war ein idealistischer
Forscher, der für die Wahrheit glühte,
und um sie zu finden, der Universität,
der Polizei, dem Herkommen Trotz bot
und oft zu den sonderbarsten Mitteln
greifen wollte. So wollte er einmal bei
den Jesuiten eintreten, um deren Schrif-
ten zu studiren und — sie dann zu be>
kämpfen! Als die Leipziger Universität
eine Leibn itz-Feier veranstaltete, trat er
im Leipziger Echützenhause in einem öffentlichen Vortrage gegen Leibn itz
auf. Als er wegen seiner rückhaltlosen
Schriften von der sächsischen Polizei aus-
gewiesen wurde, veröffentlichte er im
„Dresdener Anzeiger", daß ihm nichts
anderes übrig bleibe, als wie einst Spi»
noza Glas zu schleifen. I n Leipzig war
er im Redeübungs-Vereine der ständige
Gegner Nobert Blum's. Von Leipzig
1847 ausgewiesen, begab er sich nach
Berlin, wo er Vorlesungen über National«
ökonomie halten wollte. Aber auch aus
Berlin wurde er ausgewiesen. Im März
1848 ging er nun nach Wien und warf
sich daselbst mit seiner ganzen Kraft auf
die Publicistik. Er schrieb die Leitartikel
für die „Allgemeine Oesterreichische Zei«
tuug" bis zum September, später in
Mahler's „Nadicalen". Indem er für
die Freiheit schrieb, vergaß er das erste
Gesetz der Freiheit, „Maß halten in allen
Dingen" und „Selbstbeschränkung", und
so artete sein Schriftkampf für die Frei«
heit in Zuchtlosigkeit, in Angriff und
Ansicht, aus. Als Wien siel, redeten ihm
seine Freunde zu, sich zu entfernen. Er
befolgte diesen wohlgemeinten Nath
nicht. Am 3. November begab er sich in
das Haus der Baronin Per in. Als er
eintrat, fand er daselbst mehrere von der
Polizei, die ihn nach seinem Namen
befragten. Als er ihn genannt, wurde er
zur Commission abgeführt, die denselben
aufschrieb. Sofort brachte man ihn in's
Gefängniß, wo er bis zum 2l). November
ohne Verhör blieb. An diesem Tage zum
Verhöre gebracht, führte er vor dem
Kriegsgerichte die aufgeregteste Sprache
und war selbst durch Androhung von
Gewaltmaßregeln nicht zu bewegen, sich
zu maßigen. Er wurde wegen hochver-
rätherischer Aufwiegelung des Volkes zur
bewaffneten Empörung und Widerstand
gegen die k. k. Truppen zum Tode
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Jablonowski-Karolina, Band 10
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Jablonowski-Karolina
- Band
- 10
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1863
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 524
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon