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AauniH 74 Kaunih
lichen Vorsätze wenig entsprechenden
Worten: „H.«B arten stein war drei
Tage nacheinander da, um dem Grafen
Kaunitz seine Ergebenheit zu bezeigen".
Mit der Begründung der geheimen
Haus», Hof« und Staatskanzlei über«
nahm K. zugleich die niedcrländ ischen
und lombardiscken Geschäfte aus
den Händen des Grafen Taroucca
und der Giunta, weil die Verwaltung
dieser entlegenen Provinzen bei ihren
ungemein verwickelten Verhältnissen
gegen Frankreich, Holland, Sardinien,
Genua, Modena, Parma, Venedig und
den Kirchenstaat ihre Hauptrichtung mehr
von politischen als administrativen Rück«
sichten empfing. Der engeZusammenhang,
der in monarchischen Staaten zwischen
dem Regentcnhause und den Regierten
besteht und die daraus erwachsende
öffentliche Meinung über die. Gesetze,
Nachfolgeordnung der Dynastie, ihre Titel,
Rechte und Ansprüche nach Außen und
ihre Souverainetät in weltlichen und
geistlichen Dingen im Innern, veranlaßten
ihn, die Staatskanzlei mit der Hauskanzlei
zu vereinigen, und dieser das Staats»,
Haus» und Hof-Archiv zu unterordnen.
Dieses letztere durch den tüchtigen
Rosenthal aus den Archiven aller
Provinzen zusammengetragen, wurde
spater nicht im Geiste dieses großen
Gedankens fortgeführt, weil man sonst
die schätzbarsten Materialien nicht darin
vermissen dürfte, die in den einzelnen
Provinzen haufenweise liegen und nun
weniger oder mehr die Honigwaben der
von Particulantatsgelüsten großgesäugten
Dorfpolitiker bilden. Mit nach dem Osten
gerichteten Blicke sah der Graf im Geiste,
welche Rolle dem österreichischen Groß.
staate nach dieser Richtung in nicht zu
ferner Zeit vorbehalten war, und er
legte der Monarchin den Plan einer Aka. demie der orientalischen Sprache vor,
aus welcher bis vor den letzten drei
Decennien Manner, wie: Dombay
M . I I I , S. 333), Hammer sVd. VII,
S. 267). Herbert Md. VIII, S. 332),
Ienisch sBd. X, S. 463). Stürmer,
Thugut u. A. hervorgegangen sind.
Nach diesen wichtigen Reformen und
Neugestaltungen im Innern richtete K.
auch auf die äußeren Verhältnisse sein
Augenmerk, mit der nächsten Absicht dem
zweideutigen England einen Strich durch
die Quere zuziehen, und den kriegslustigen
Friedrich von Preußen im Schach zu
halten. Zwischen England und Preußen
war im Jänner 4736 ein förmlicher,
jedoch sorgfältig verheimlichter Bund zu
Sta"de gekommen. Kaunitz antwortete
auf dieses Intriguenspiel mit dem Neu«
tralitats' und Fceundschaftsvertrage zwi»
schen Oesterreich und Frankreich vom
1. Mai 1736, welcher durch den neuen
vom 30./31. December 4738 nur noch
mehr befestigt wurde. Mit der Marquise
von Pompadour unterhielt er einen
fortwährenden Briefwechsel, und um den
Faden der politischen Verhältnisse in
seiner Hand zu festigen, unternahm
er es, die Kaiserin dahin zu bringen,
daß sie dieses, den französischen König
und den Hof beherrschende Weib in einem
halb scherz-, halb ernsthaften Briefe
„KIg.äain6 ina trös okors 5osur" beti«
telte. Es galt, durch einen Act höflichster
Herablassung einen Sieg von weittragen«
der Bedeutung zu erringen. Und Kaunitz
errang ihn. Die große Mar ia There»
si a hatte nach und nach den Verrath und
die Gesinnungslosigkeit aller europäischen
Groß. und Kleinmächte erfahren. Diesel-
ben entweder zu isoliren, oder aber
gegen den nächsten Nachbar Oesterreichs,
den Rauber Schlesiens zu vereinigen, war
sein HauptftrebeNs und in der That, es
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Károlyi-Kiwisch, Band 11
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Károlyi-Kiwisch
- Band
- 11
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1864
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 498
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon