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77 Kamnh
die Beschleunigung und Verbesserung der
bürgerlichen Rechtspflege ließ er sich an«
gelegen sein. Die Studien und Schulen
wurden allgemein verbessert, Künste und
Wissenschaft beschützt; überall neueManu»
facturen und Fabriken angelegt, der inner»
liche Fleiß geweckt und vermehrt, der
Handel — noch von Genua und Livorno.
von des Fürsten Aufenthalte in Holland
und England her eine Lieblingssorge des
Staatskanzlers — nach allen Seiten ge»
fördert, gehoben, die Seehäfen Trieft,
Fiume, Carlopago und Zengg erweitert,
Straßen und Canäle angelegt. Der
Kriegsetat und die Armeen bekamen
eine neue Gestalt und wurden auf einen
achtunggebietenden Fuß geseht. Mit
einem Worte unter Kaunitzens Leitung
schwangen sich die inneren Kräfte Oester-
reichs zu einer Größe»hinan, welche die
Gifersucht der auswärtigen Mächte rege
machte. Wenn wir nach der nur in den
kürzesten Umrissen dargestellten Wirksam-
keit des Staatökanzlers im Innern des
Reiches noch einen Blick auf die äußeren
Verhältnisse Oesterreichs werfen und auf
die Lage des Staates, in welche ihn K.
gebracht, so zeigt sich uns nicht minder
gewaltig sein Einfluß und sein Wirken,
und zwar „in den polnischen Angelegen«
heiten, während des siegreichen Krieges
der Russen mit den Türken; in dem
bayerischen Erbfolgestreite; dann als eine
neue Fehde, veranlaßt durch die gewalt-
same Losreißung der Nordamerika^
n'ischen Provinzen, Großbritannien und
Frankreich entzweite; in der Verfol»
gung des Austausches von Bayern,
in den Bewegungen des Fürstenbun«
des, und als die Holländer ihrer
Ohnmacht minder gedachten, als des
künstigen Unheiles für ihren Handel durch
Eröffnung der Schelde; bei Rußlands
neuen Vergrößerungen über die Pforte; bei dem Kriege Joseph's mit dieser
letzteren nach 30jährigem Frieden und als
endlich, wie ein weltzerstörender Komet, die
französische Revolution die Achse des euro«
päischen Gleichgewichts zu durchschneiden
begann". Es würde uns zu weit führen,
seine ganze Thätigkeit nach dieser Seite
hin. von Periode zu Periode, von
Tractat zu Tractat zu verfolgen; nur noch
in Kürze wollen wir seines Wirkens als
Minister des kaiserlichen Hauses geden«
ken, das er so liebte, wie das Vaterland
selbst: „er hat alle B o urbons durch die
zartesten Bande an Habs bürgs «Loth.
ringen geknüpft; in Versailles, Madrid.
Neapel und Parma Verbindungen gestif»
tet; Modena, Massa. Carrara durch
Heirath an das Haus gebracht; There»
siens jüngstem Sohne die erhabene
Stelle unter den ersten Fürsten Deutsch«
lands durch den Churhut von Cöln, durch
das Hoch. und Deutschmeisterthum errun»
gen; durch die unblutige Erwerbung
Galiziens und Lodonieriens, der Buko»
wina und des Innviertels den Kaiser«
staat gegen das Ende der Regierung
Mar ia Ther esiens, welcher man bei
ihrem Antritte Alles rauben wollte, viel
größer und stärker gemacht, als er im
Anfange derselben gewesen. Oesterreich
über Alles war sein Glaubensbekennt»
niß. Darum trachtete er vor Allem Ruhe
von Außen, Ordnung und Kraft von
Innen herzustellen, weil daraus Achtung
und vortheilhafte Bündnisse unmittelbar
und von selbst folgten. Freilich muß hier,
um den objectiven Staudpunct des Wer«
kes zu waliren, auch zweier arger Nebel-
stände gedacht werden, welche sich unter
K.'s Leitung, ja auf seine Anregung in
der Monarchie eingeschlichen und deren
einer später einen gewiß uon ihm weder
geahnten noch gewünschten und keines«
wegs fegensvollen Aufschwung genommen
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Károlyi-Kiwisch, Band 11
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Károlyi-Kiwisch
- Band
- 11
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1864
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 498
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon