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Landesmann 73 Landesmann
Bäder nach Teplitz gebracht. Die Wir«
kung derselben war keine vollständige, die
Lahmung ward durch dieselben wohl
gehoben, aber der Krankheitsstoff hatte
stch auf die kostbarsten Sinne: das Gehör
und das Gesicht geworfen. Im Alter von
fünfzehn Jahren hatt.e 3. das erstere völ»
lig verloren, sein Sehvermögen aber wurde
zwar nicht vernichtet, jedoch überaus ge-
schwächt. Daß diese abnormen physischen
Zustande auf sein intellektuelles Leben
gerade im beginnenden Jünglingsalter,
als sich alle Poren des Gemüthes der
Welt öffneten, während die vorzüglich»
sten Sinnesorgane sich vor ihm ver«
schlössen, nicht ohne mächtige Wirkung
blieben, versteht sich von selbst. Dieß zu
schildern, ist Aufgabe deS Psychologen und
eines Biographen, dem nicht, wie es bei
diesem Werke der Fall ist, die engsten
Schranken gezogen sind. Es war ein
großer gewaltiger Kampf, den 3. für die
Dauer eines Menschenlebens auf sich
nehmen mußte. Er hat ihn aufgenom«
men mit dem ganzen Aufgebot seiner
sittlichen Kraft. L. war nun ganz auf
autodidaktische Bildung gewiesen und
hatte auch jetzt noch mit Hindernissen
zu kämpfen, da Eltern und Aerzte
ihm jedes Buch — alles Otudiren als
semer Gesundheit gefährlich erklärend —
entzogen, bis auch hier die Einsicht des
Besseren den Sieg gewann, da man
denn doch erkannte, daß die zerrüttete
körperliche Maschine nur noch durch die
geistigen Fäden einen freilich ganz wun>
derbaren Halt gewann. In jener Zeit
also, in welcher unter so trüben Umstän»
den, das mächtige Innenleben begann,
erwachte in L. der Poet und spater der
grübelnde Denker. Irn Alter von 16 Iah.
ren schickte er bereits kleine Gedichte in
Zeitungen, wo sie ihrer Sinnigkeit
wegen freundliche Aufnahme fanden. Diesen so wie mehreren Arbeiten in Prosa
begegnet man in den Jahren 1840 und
1841 im ^österreichischen Morgenblatte",
dessen Redaction nach Oesterlein'S
Tode damals Dl. Ludwig Aug. Frankl
übernommen hatte. I n diese Zeit, 1843,
fällt auch die Entstehung des Gedichtes
„Abdul". einer, uin sie am kürzesten und
treffendsten zu bezeichen. ,muhamedani.
schen Faustsage". Abdul. eben der muha-
medanische Faust, sucht gleich dem ger«
manischen daS Glück, der dunklen Erde
himmlische Verklarung; er sucht eS und
findet es nicht im Hochgenuß der Liebe,
nicht im trügerischen Glänze der prunken«
den Palaste und wonnigen Gärten; nicht
in der grabesstillen Einsamkeit der Wüste,
die er, zur Entsagung entschlossen, aufge«
sucht. Endlich im letzten Todeskampfe
findet er es. Er kann durch einen Wunsch
die fliehenden Lebensgeister bannen, aber
er hat das große Räthsel seines LebenS
erkannt und das wahre Glück gefun«
den und dieses ist das Leben, aber das
unendliche Leben, frei von den Fesseln
deS irdischen Geschickes, das Leben, wel«
ches erst mit dem Tode beginnt. I n fünf
reizenden Gesängen: Fata Morgana,
das Abenteuer, der Bettler, der Eremit,
das letzte Ziel, wird Abdul's Kampf
mit allem Aufgebot einer glänzenden
Sprache und poetischen Bilderreichthums
von dem Dichter geschildert. Dieser Dich-
tung folgten kleinere poetische Arbeiten,
die zerstreut gedruckt erschienen sind und
kritische Studien, die sich an die ein»
zelnen hervorragenden Erscheinungen der
verschiedenen Literaturen knüpften. Die
Bewegung der Geister, welche sich in
Oesterreich schon einige Jahre vor den
Marztagen, freilich nur ganz im Stillen,
vorbereitete, war auch an 3. herangetre«
ten und hatte ihn um so mächtiger erfaßt,
als er im geistigen Verkehre zumeist auf
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Laicharding-Lenzi, Band 14
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Laicharding-Lenzi
- Band
- 14
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1865
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 550
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon