Seite - 135 - in Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Laicharding-Lenzi, Band 14
Bild der Seite - 135 -
Text der Seite - 135 -
Lanner 138
junge Violinspieler war unser Lanner,
der nachmalige Walzerkönig Wiens, der
Schöpfer der modernen Wiener Volks-
musik, deren heitere Klänge später den
Weg über den ganzen Erdball machten.
Bald vermehrte 3. seine Begleitung, die
bisher aus Guitarre und Viola bestand,
noch um zwei Stimmen und verlegte den
Schauplatz aus der Vorstadt nach dem
Innern der Stadt. I n verschiedenen
Gasthauslocali täten, vornehmlich aber
beim „Nebhuhn" in der Goldschmied«
gafse, spielte und entzückte dieses Quin»
tett seine Zuhörer, unter denen sich ;u
jener Zeit auch Franz Schubert befand.
Schubert fehlte nicht. wenn 3 anner
beim „Rebhuhn" spielte, und wie Schu-
bert überhaupt, selbst eine echte herzliche
Künstlernatur, keinen Künstlerstolz und
Künstlerneid kannte, ermunterte er den
jungen Walzergeiger durch Beifall und
Anerkennung, worüber dieser nicht geringe
Freude empfand und gehobenen Sinnes
sich dieser Anerkennung würdig zu machen
suchte. Da hieß es an einM schönen
Maitage, im ersten Kaffeehause deS
Praters werde ein größeres Orchester aus
Streichinstrumenten von Lanner dirigirt
aufspielen. Das war in Wien etwas
NeueS, denn bisher hatte sich in öffent-
lichen Gärten nie noch Streichmusik,
sondern nur die sogenannte Harmonie»
musik, die vorzugsweise aus Blech» und
Blasinstrumenten besteht, hören lassen.
Mit diesem Tage beginnt so zu sagen
die neue Aera der Wiener Volksmusik.
Vom Prater übertrug L. sein Orchester
zum „grünen Baum" unAr den Weiß»
gärbern und zum „Brunnen" im Lichten«
thal, wo fich gewöhnlich auch tanzendes
Publicum einzusinden pflegte. Als aber
3anner das Ballorchester beim „Bock"
auf der Wieden dirigirte, da hatten seine
Walzercomvofitionen allenthalben in Wien Alt und Jung bereits elektrisirt
und Lanner's Name lebte im Munde
eines jeden Wieners. I n diese Zeit fällt
sein erstes Auftreten als eigentlicher
Walzer-Compositeur und zu seinen ersten
Nummern zählt der unter dem Titel
„Bock's Klage" bekannte Walzer, in
welchem fich zuerst jene Eigenthümlich,
keit, die alle seine Compofitionen charak«
terisirt, der von keinem seiner Neben»
buhlcr und Nachahmer, nicht von
Strauß. Labitzky und Morel ly , er«
reichte musikalische Humor Lanner's, in
seiner ganzen unwiderstehlichen Lieblich-
keit ausspiicht. Wenn auch Fachmänner
wiffen wollen, daß Strauß in der Kunst,
einen großen musikalischen Körper ener»
gisch zu leiten, unsern 3anner bei weitem
übertraf, so gestehen ihm doch eben diese
zu, daß er seinem Orchester mit Umsicht
und Rührigkeit vorstand und daß er
eifrig jenen Sinn der Einheit hervor»
zubringen verstand, wodurch seine Auf«
führungen zur Stufe einer Vollendung
gebracht wurden, daß ihm selbst strenge
Kunstkenner ihre Anerkennung nicht ver«
sagten. Bald beeiserten sich die Inhaber
der größten und besuchtesten Trlustigungs«
platze Wiens, Lanner für sich zu ge»
winnen. Mit dem Beifall des Publi.
cums wuchs seine Schaffenslust. Jede
neue Composition überbot die anderen
an Originalität der Gedanken und Lieb-
lichkeit der Melodie. So wurde er der
Schöpfer der neuen Tanzmusik, so war es
er, der dem Walzer eine neue Formend
und ihn aus dem Joche des achttactigen
Rhythmus, unter welchem er bisher ge»
schmachtet, befreite. Obgleich Lanner
den Volks- und Paradiesgarten, Dom»
m ay e r's Casino W Hietzing und die Säle
„zur goldenen Birn", zum „Sperl" und
zum „goldenen Strauß" im Joseph«
städter Theatergebäude zu den eigent«
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Laicharding-Lenzi, Band 14
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Laicharding-Lenzi
- Band
- 14
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1865
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 550
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon