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Lewinsky 47 Fewinsky
es, wclche aus jeder Leistung unseres Kunst»
jüngers klar hervortreten." Monatschr i f t
für Theater und Musik (Wien. Kkmm. 4°.)
IV. Jahrg. (M8). S. 322—328 ) — Betti
Paol i schreibt über L.: „Inder Fähigkeit,
den Gestalten, welche er darstellt, nebst ihrem
poetischen zugleich einen individuellen Aus»
druck zu verleihen, lie^t Hrn. Lv's künstlerischer
Adelsbrief. Man hätte Unrecht, an ihm nur die
große schauspielerische Begabung zu rühmen,
hier ist mehr: eine ernste tiefe Seele, der sich
die Dinge in ihrer Urgestalt zeigen, ein Geist,
dem die Wahrheit Lebensbedingung ist, ein
Sinn, den der lebendige Glaube an die Würde
der Kunst vor Selbstsucht und allem klein»
lichen Streben bewahrt. Die Eigenschaften,
mit denen die Natur ihn ausstattete, machen
L. zu einer staunenswerthen Erscheinung; um
einer der größten Künstler seiner Zeit zu wer»
den, braucht er nur die Zeit zu ruhiger
Entwickelung. ^Oesterreickische Zei tung
lt>.')8, Nr. 114.) — Ueber seinen Carlos in
Goethe's „Clauigo" schreibt Theodor Mann«
heimer (gest.): „Alles was der Jugend sonst
zu mangeln pflegt: die Kälte des welterfah»
renen Mannes, die Selbstbeherrschung und
Ruhe des trockenen Verstandesmenschen, der
Mangel an allen Illusionen, an jeder poe-
tischen Regung, charakterisirt diesen Carlos.
Und einen solchen Charakter zeichnete uns L.
mit ein paar einfachen, sicheren Strichen hin,
daß er lebendig und greifbar vor uns stand.
Wir haben den Carlos glänzender, blendender
spielen gesehen, nie wahrer und wirksamer.
Er ruhte nicht mit selbstgefälligem Bedagen
auf einzelnen dankbaren Momenten seiner
Rolle; er gefiel sich nicht im geistreichen Spiel
mit scharfen Pointirungen, derben Lichtern
und Farben. Lew ins ky hat sich völlig in
seine Rolle versenkt, er war mit ihr eins ge«
worden; er spielte nicht den Carlos, er
w ar Carlos." f resse (Wiener polit. Blatt)
1358, Nr. l 14.1 — E. Kossak zeichnet anläß«
lich des Gastspiels Lewinsky's in Berlin
im Jahre 1864 folgende Künstler«Silhouette:
„Suchen wir uns sein Bild auf dem Papier
festzuhalten, so fällt uns zunächst — die
Wahrheit darf nicht verschwiegen werden,
selbst wenn sie verletzen könnte — die dürftige
Mitgift der Natur auf. Herr 3. reicht eben
an das preußische Militärmaß. seine Gesichts»
bildung zeigt nichts Auffallendes, wenn ihr
auch Intelligenz und eine deutliche Spannung
des spähenden Geistes nicht abzusprechen sein
möchte, das Organ ist unmusikalisch und trocken; für die Schauspielkunst gibt es keine
dürftigere Ausstattung und doch hatte die
Natur ihn zu einem Mimen bestimmt. Die
geistige Zubuße sollte ihm den nothwendigen
Ersatz gewähren. Klugheit, Feinheit der Em-
pfindung und eiserner Fleiß verrathen sich
gleich in der ersten unbedeutenden Scene.
Lewinsky mag nun dem Beispiele des De<
mosthenes gefolgt sein und durch gleich gewalt«
same Mittel den Widerstand seines Organs
gebrochen haben oder nicht, so viel ist gewiß:
die Stimme gehorcht allen Intentionen, sie
ist zum Ausdruck wilder Leidenschaften und
sanfter Gefühle gleich sehr befähigt, sie schmiegt
sich jeder Nuance, jeder Schattiruna der Em-
pfindung getreulich an. D?r Künstler hat auf
seinem Instrumente eine temperirte Stim»
mung hergestellt. Die im Affect angewandten
Stärkegrade würde so mancher robuste Stüm»
per leicht überbieten, aber nie die gleich nach«
drückliche, aus der seelischen Intensität ent«
springende Wirkung hervorbringen. Der Meister
offenbart sich in der Abtönung seiner Farben«
skala. L. erinnert uns in dieser Hinsicht oft an
den unvergeßlichen Seydelmann. Auch das
Organ des aroßen Mimen legte seinem Wollen
unsägliche Schwierigkeiten in den Weg, aber
es war ihm gelungen, sie bei Seite zu räu«
men. Die Abneigung gegen grelle äußere
Hilfsmittel theilt er mit Seydelmann. Er
modellirt eine G'-'stalt nicht schärfer und derber,
als die Wirklichkeit zulassen würde; um sau«
bere Conturen ist es ihm zunächst zu thun,
und müßte selbst das Colorit zuweilen der
Correctheit der Zeichnung nicht ebenbürtig
sein." — Schließlich bemerkt Hermann Mara«
graff anläßlich des Iewinsky'schen Leip-
ziger Gastspiels im Jahre 1863 treffend: „Der
Künstler strebt ersichtlich und mit Erfolg nach
Natur und Wahrheit im Sinne der alten
großen Meister, weßhalb er auch meist jene
Virtuosrnkunststückchen vermeidet, die auf
augenblicklichen Effect berechnet, die Total»
Wirkung mehr beeinträchtigen als verstärken."
Und an anderer Stelle: „Es sind vor allem
drei Tugenden, welche diesen Künstler jedem
Beurtheiler sehr warm an's Herz treten lassen.
Erstens eine heilige Verehrung vor dem Worte
des Dichters und seinem Geiste, dem sich der
Schauspieler in priesterlicher Scheu unterord«
net; zweitens das fleißige Bestreben, so viel
als möglich den Menschen, so wenig als mög«
lich den Komödianten zu spielen; dr i t tens
eine in unseren so vielfach dilettirenden Zeiten
sehr anertennenswerthe Mühewaltung, reines
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Leon-Lomeni, Band 15
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Leon-Lomeni
- Band
- 15
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1866
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 499
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon