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Geschichte der Stiftungen, Erziehungs» und
Unterrichtsanstalten in Wien u. s. w. (Wien
1803, kl. S".) S. 383 u. 46l.) — 58. Ulrich
von L. (geb. um 1200, gest. 26. Jänner
l276), ein berĂĽhmter Kampfheld und Minne-
fänger. Sohn Ditmar'S (II.) ss. d. S. 121,
Nr. 11), des ersten Erbkämmerers im Lande
zu Steier und Ahnherr der steirischen
Stamm»
tinieLiechtensteiN'Murau. Ulrich, ĂĽber
dessen Leben seine eigenen Dichtungen den
besten Aufschluß geben, gehört den lieblichsten
Minne« und Meistersängern seiner Zeit an,
wenn er nicht gar der Erste von Allen ge-
nannt zu werden verdient. Sein von Tieck
herausgegebener „Frauendienst" ist eine wahre
Perle alter deutscher Dichtung und eine reiche
Fundgrude culturhistorischer Zustände seiner
Zeit. In seinem zweien groĂźen Gedichte:
„Itwitz oder der Frauen Puech" (Frauen»
buch), das nicht weniger drnn 2112 Verse
zählt, schildert er in einem Gespräch zwischen
Ritter und Dame die unter den Männern und
Frauen eingenistete PerderbniĂź der Sitten.
Das Gedicht: „Frauendienst", aber enthält
die Geschichte seines eigenen Lebens von 1211
bis 1233; wir erfahren daraus, daß er Edel»
knecht bei Herzog Heinrich von Mödl ing
gewesen. Nach dem Tode seines Vaters kehrte
er in seine Heimat zurĂĽck und nun begann
er ein Wanderleben, indem er drei Jahre
umher ritt und iurnierte in Knechtes Weis', um
es zu erlernen. Bei Gelegenheit des pracht»
vollen Beilagers Agnesens, Tochter des
Babenbergers Leopold VII., mit Bern-
hard von Sachsen im Jahre 1222, erhielt
Ulrich den Ritterschlag. Zwölf Turniere be»
stand er noch in diesem Sommer. Eine Liede,
die er aus seiner Knabenzeit noch im Herzen
trug, war noch nicht erloschen und durch
Vermittlung seiner Muhme (Niftel, wie er
sie nennt) sucht er sich seiner Herzensoame
zu nähern. Forschungen weisen dahin, daß
vermuthlich Beatr ix, Erbtochter Otto's I I . ,
Pfalzgrafen von Burgund, und Enkelin Kai«
jer Friedrich's Barbarossa — 12U8 von
ihrem Oheim K. Phi l ipp dem Staufer —
dem Herzog von Andechs<Meran,OttoI.,
vermalt — diese tiefe Leidenschaft dem Herzen
Ulrich's eingeflößt habe. Die durch seine
Niftel der spröden Herrin gebrachten Liebes»
verse Ulrich'S blieben ohne Erfolg; ja eine
Hindeutung auf seinen „ungefüge stehenden"
Mund machte ihn besonders trostlos und
brachte ihn zu dem verzweifelten EntschlĂĽsse,
slch den Mund „schneiden" lassen, was auch ein Wundermann in Gratz ausführte. Nack«
dem er diese leidensvolle Operation und viele
Schmerzen — da er mit dem verschnittenen
Munde nichts genießen konnte — überstan»
den, besucht er seine Muhme, und aus einem
Briefe seiner Herrin an die Muhme erfährt
er, „daß sie ihn gerne sehen würde, um
seinen Mund, wie der ihm steh und um
nichts anders". Er begibt sich wohl an Ort
und Stelle, bringt auch seine Verslein mit.
aber zieht ohne besseren Erfolg wieder von
dannen. In den Jahren 1223 oder 1226 er»
scheint Ulrich auf dem Turnier zu Friesach,
das gelegentlich der Aussöhnung Herzogs
Bernhard von Kärnthen mit Markgraf
Heinrich von Istr ien stattfand. Im Waf<
fenspiele verflicht Ulrich mehr als hundert
Speere und war doch — wie er selbst gesteht
— da nicht der Beste und auch nicht der
Böseste. Die Kälte seiner Herrin drängt
ihn zu neuen ritterlichen Thaten, und er
turniert zu Kibenz (Koben; bei Seckau ir.
Steiemiark). zu Trieft, zu Brixen, wo ihm ein
Finger ausgestochen und schlecht geheilt wird,
Finger, Herz und Hoffnung auf Minnelohn
verschlimmern sich. Er reitet nun nach Nom,
wo er zwei Monate zubringt und kehrt wieder
heim (1227). Als seine „Herrin" dem Boten
Ulrich's vorhält, Ulrich habe sie belogen,
denn er habe ja noch den Finger, den er
wum sie verloren zu haben vorgebe, wenn er
auch krumm geworden, wird der Dichter
dahin gebracht, diesen fatalen Finger an der
rechten Hand sich abschlagen zu lassen und
ihn mit einem BĂĽchlein von Versen seiner
Herrin zu senden! Die Dame ist nicht wenig
darüber entsetzt und ruft ganz verständig
aus: „O weh, das ist eine große Gesckicht.
die Dummheit hätte ich ihm nichi zugetraut,
daß je ein verständiger Mann so rvas thu7.
kann"! Aber den Finger behielt sie doch in
ihrer Lade. Im Winter 1227/28 reiste Ulr iä,
nach Venedig und rĂĽstete sich hier zu seiner
abenteuerlichen Fahrt als „Frau Venus" mit
glänzender Damengarderobe und Begleitung,
Diese abenteuerliche Fahrt von Venedig bis
Feldsberg in Mähren wird nun ganz weit'
läufig beschrieben und hat thatsächlich nickt
geringen culturgeschichtlichen Werth. Ganz
eigen erscheint darin die Episode eines Stell«
dicheins bei seiner Herrin, die er niit seinem
leidenschaftlichen Verlangen die Seine nennen
möchte. Achtzehn Jahre später nach der eben
erwähnten Venusfahrt, 1246, unternahm er
eine zweite, unter der Maske des fabelhaften
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Leon-Lomeni, Band 15
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Leon-Lomeni
- Band
- 15
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1866
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 499
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon