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gar nicht sei, da ja der Knabe, nack dem
was er leiste, eigentlich über den Unter-
richt, wie er dort ertheilt werde, bereits
hinaus sei. Sie redeten dem Vater zu
den Sohn in die Oeffentlichkeit zu süh
ren, diese sei für sein Talent und seine
Künstlerschaft nunmehr die eigentliche
Schule. Empfehlungsbriefe, welche Vater
Liszt von Wien mitgenommen, öffneten
ihm auch die Salons der ersten Stände.
Der Erfolg war ein beispielloser und
als er gar im Salon des Herzogs
von Or leans, nachmaligen Königs
Ludwig Ph i l ipp , gespielt, blieb 3.
der Mittelpunct der Gesellschaften der
Pariser hohen Welt. Ehe Liszt noch
öffentlich auftrat, waren bereits all>
Journale seines Lobes voll. und das
erste im März 1824 stattgehabte öffent>
liche Concert L.'s war selbst für diese
große Weltstadt ein Ereigniß. Dabei
wurde aber uon Seite des VaterS auf
regelmäßige Fortbildung sorgfältig ge>
sehen. Bei Reich a machte 3. Studien im
Contrapuncte. Nachmittag mußte erBach>
sche und andere classische Fugen spielen. —
Hier muß aber noch eines Momentes ge>
dacht werden, welches das scheinbar Un«
erklärliche in Liszt's Wesen, das die
Gegenwart bietet, und woran seine
3ästerer, als an einer fantastischen plötz»
lichen Wandlung seines Innern, ihren
Witz üben. in ganz einfacher Weise auf-
hellet. Schi l l ing, in seinem 4844
erschienenen Buche über Liszt, schreibt
S. 67. anläßlich seines ersten Pariser
Aufenthaltes — damals zahlte 3. noch
nicht volle 13 Jahre — das Folgende:
„Der religiöse Gegensatz, welchen die
moralischen Ausstellungen erfuhren, denen
Franz bei seiner öffentlichen künstle-
riscken Thätigkeit nicht entgehen kann, ist
nicht minder schroff und streng. Alle Tage,
ohne Ausnahme, muß in einer der eben zunächst liegenden Kirchen das Frühgebet
verrichtet und die Meffe angehört werden
und außerdem kommt Religion wieder
auf den täglichen Lectionsplan. Die Bibel
liegt zur Hand und kein Tag darf
vergehen, ohne ein erbauendes Capitel
in derselben gelesen zu haben." — Auch
die materiellen Erfolge waren in Paris
außerordentlich, aber mit einem Male
bedrängten das Gemüth des Vaters,
wenn er die Vergötterung sah, die
namentlich der weibliche Theil der Welt-
stadt seinem Sohne zu Theil werden
ließ. Besorgnisse um dessen Zukunft und
in dieser Gemüthsstimmung wurde eine
Reise in die Departements beschlossen, in
welchen wohl nicht weniger Enthusias»
mus für die Kunst, aber denn doch ein
minderes Raffinement, überhaupt ein
kühleres Wesen herrschend ist. So besuchte
Liszt mit seinem Vater Bordeaux, Tou«
loufe, Montpellier, Nimes. Lyon, Mar-
seille u. s. w. Nach dieser Kunstreise im
Innern Frankreichs hatte Liszt Vater
beschlossen, Frankreich zu verlassen und
ein Glück mit dem Sohne in England
zu versuchen. Dieß geschah im Jahre
1824. I n diese Zeit fällt auch der erste
Versuch LiSzt's. eine Oper zu compo-
niren und er hatte damals eine solche,
betitelt: „Nun Snnchll uder üuZ Schluss der
Dicke", wozu ihm der DichterTh eaulon
den Text geschrieben, vollendet. Um die
Aufführung der Oper zu erlangen, reiste
Liszt wieder nach Paris zurück, wo,
nachdem Paör die Oper durchgesehen
und Einiges Unerhebliche darin geändert
hatte, dieselbe im Theater der ^.oaäOmis
ais eingereicht und gegen alles Er«
warten angenommen wurde. Nach einem
kurzen Aufenthalte in Paris kehrten Vater
und Sohn wieder, im Frühjahre 1825,
nach London zurück. Auch in England
and Liszt bei seinem früheren, wie bei
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Leon-Lomeni, Band 15
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Leon-Lomeni
- Band
- 15
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1866
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 499
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon