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dem diesmaligen Auftreten eine enthusia
stische Aufnahme. Der Aufenthalt währte
so lange, bis die Nachricht aus Paris
eintraf, daß nun zur Aufführung der
Oper geschritten werde. Diese fand auch
Ende 1823 statt. Die Aufnahme war
eine glänzende, Nour r i t hatte die
Hauptrolle gesungen. — Um diese Zeit
ging aber eine völlige Wandlung mit dem
jungen LiSzt vor sich. Der Uebergang
aus dem Knaben« in das Jünglings-
alter vollzog sich bei ihm in eigenthüm«
lichec, befremdender, ja Besorgniß er>
regender Weise. Er vertiefte sich außer
derBibel in dieLectüreascetischer Bücher,
immer und immer wieder las er das
Werk „1^68 pei-eL äu. äHsert", und da
der Vater, der ja doch selbst den Sohn
zur Frömmigkeit geleitet, diese andauernde
Beschäftigung mit geistlicher Lectüre ebenso
für eine Verirrung ansah, wie früher die
übermüthige übersprudelnde Lustigkeit
des Knaben, der sich z. B. als Lohn für
sein wundervolles Spiel von dem Herzog
von Or leans eine Hannswurstpuppe
erbitten oder, wenn er über die Straße
ging, mit den den kleinen Kunstheros
hänselnden Gamins sich necken und be«
lustigen konnte, so entzog er ihm jetzt
wieder auö Besorgmß alles, was diese
fromme Richtung des Sohnes anregen
oder deffen religiöse Schwärmerei fördern
konnte und vergrößerte fo nur daS Uebel.
Denn der Sohn, der sich bei Tage nicht
mehr seinen frommen Betrachtungen hin«
geben konnte, überließ sich nun densel»
ben bei Nacht, während der Vater im
Schlummer lag. Diese veränderte Ge-
müthsstimmung blieb nicht ohne Nach«
wirkung aufLiszt'S Gesundheit; Nerven-
anregungen hatten sich bereits so heftig
eingestellt, daß die Aerzte dringend zum
Besuche eineS Seebades riethen. So be»
gab sich denn LiSzt 1827 zur Stärkung seiner Gesundheit nach Louloxns sur m.er.
Dort aber starb am 23. August d. I .
unvermuthet der Vater. Der Aufenthalt
in Boulogne hatte des 16jährigen Jung«
lings Gesundheit sichtlich gekräftigt. Er
kehrte nun nach Paris zurück und rief
seine Mutter, die bis dahin in Ungarn
und später in Wien gelebt, zu sich nach
Paris, wo er ihr die von ihm erworbene
und von seinem Vater ersparte Summe
von hunderttausend Franken als bleibendes
freies Wittthum übergab, und Paris nun
zu seiner künftigen Wohnstätte wählte. —
Eine Herzensneigung, die in jene Periode
fällt, hinterließ einen nachhaltigen tiefen
Eindruck auf sein Gemüth. Die Neige»
rung des Vaters der Dame, die er liebte,
verschlimmerte das Uebel. Die kaum ge>
wonnene Gesundheit verfiel, L. zog sich
von der Gesellschaft ganz zurück, schloß
sich in seiner Wohnung ein und wurde
unsichtbar für die Welt. Auf dieser That»
sache beruht die damals in PariS aufge»
tauchte Nachricht von Liszt's Tode, die
sogar in die Journale überging, denn
das Blatt „Ntoils" widmete dem Ver«
ewigten einen rührenden Nachruf. Aber
während man in der Welt L. für todt
hielt, begann erst recht des Jünglings
geistiges Leben. Der Liebe Qual und
Trennung ließ ihn Trost in den Schöpfun-
gen des menschlichen Genius suchen.
Chateaubriand. Pasca l , Mon«
taigne. La Mennais. V ic tor
Hugo, Lamart ine, Vo l ta i re ,
Rousseau und auch die deutschen
Denker Kant . Schell ing, Hegel,
beschäftigten ihn in seinen einsamen Stun-
den und sollten ihn seinen Liebesgram
vergessen machm. L., alle Musik verbau-
nend, lebte ganz in ernste Studien ver»
senkt, da reißt daS Erscheinen Paga<
nini 's ihn auS seiner anachoretischen
Zurückgezogenheit. Kaum minder glän-
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Leon-Lomeni, Band 15
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Leon-Lomeni
- Band
- 15
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1866
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 499
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon