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GeniuS schuf. Aber auch der Beginn der
schriftstellerischen Thätigkeit fällt in die
Zeit seines Schweizer Aufenthaltes und
in der „<3a2otts inuLioals" erschienen
seine kritiscben Aufsätze, womit er seinen
in Paris zurückgelassenen Gegnern ein
nicht eben erfreuliches Lebenszeichen gab.
Unter diesen Artikeln, in welchen 3. in
einem eleganten, fein durchgebildeten
Style seine Ansichten über Kunst und
Künstler entwickelte, sind die sechs „Ds
lg. Zituation clss artistes" die bemer«
kenswerthesten. Während der Zeit seines
Genfer Aufenthaltes ruhte das Piano fast
ganz; Concerte gab er gar nicht, nur ein-
mal zum Besten der Armen. Auch war es
vornehmlich er, der die Errichtung eines
Conservatoriums der Musik in Genf för>
derte und die Ausführung dieses Gedan«
kens beschleunigte. Eine Zeit lang er«
theilte er sogar den talentvolleren Schü>
lern der Anstalt Unterricht im Piano-
fortespiel. Unter solchen Verhältnissen
war das Jahr 4836 herangekommen.
Thalberg, d er schon seit einigen Jahren
— und eben wahrend der Zeit, welche
Liszt in Genf verlebte -^ in Paris sich
aufhielt, hatte endlich sich durchgearbeitet
und ein öffentliches Auftreten erreicht.
Bis dahin waren die Nachrichten über
Thalberg von keiner Bedeutung,
anders gestaltete es sich nach seinem Auf»
treten. Der Beifall, ja die Bewunderung
des neuen Tonheros nahm solche Dimen»
sionen an. daß Liszt, der bis dahin nur
Thalberg's Compositionen kannte, die
ihm aber nicht genügten, begierig wurde,
ihn, den man mit ihm verglich, neben ihn,
ja über ihn stellte, zu hören. Er ging nach
Paris, hörte seinen Nebenbuhler und
analysirte die Methode und Bedeutung
des Thalberg'schen Spiels. Beffer
aber als mit Worten, wollte er mit der
That seine Ansicht bekräftigen. Er kün- dete in Era rd'S Sälen eine Reihe von
Concerten an, in welchen er fast nur
Musik von Beethoven spielte, und
hatte einen neuen Sieg errungen. Aus
jener Zeit stammt der das Verhältniß
beider Virtuosen treffend bezeichnende
Ausspruch einer geistreichen Frau: „Thal-
berg unter Allen sei der Erste. 3igzt
aber der Einzige". Die Theilnahme, die
in Paris, nachdem 3iszt aufgehört ein
Kind zu sein, erschlafft war, dieselbe
Theilnahme, die sick, des interessanten
Kindes und Knaben willen, zur Begeiste«
rung gegipfelt, wurde nun dem „merk«
würdigen einzigen Künstler" freiwillig,
ohne Kunst der Reclame, dargebracht.
Aber nicht wieder wollte er die Wandel»
barkeit des Pariser Kunstgeschmackes auf
die Probe stellen. Zufrieden mit dem
Siege über seinen Nebenbuhler, kehrte er
nunmehr der Weltstadt den Rücken und
ging auf Reisen. — Die Wahl fiel auf
Italien, wohin er sich im Juni 4837
aufmachte. Mailand war das nächste Ziel
seiner Reise; dort lernteer Rossini, die.
sen seiner geselligen Eigenschaften wegen
nicht minder als seiner Bedeutung als Com«
positeur gleich ausgezeichneten Meister,
kennen, und hatte früher schon ein Italie-
ner, Paganin i , auf 3 iszt's künstlerische
Entwickelung einen nicht unmerklichen
Einfluß geübt, so übte ihn der Italiener
Rossini auf dessen äußerliche Erschei-
nung. Das Wilde, Ungefüge, Starre, das
bisher an 3. befremdete und wenigstens
nicht anzog, wich weicheren, angenehme»
rm, zusagenderen Formen. Das Wagniß,
das 3. damit unternahm, daß er in dem
für ein Concert wenig geeigneten Theater
della Scala, dem nach dem Theater San
Carlo in Neapel größten in der Welt,
seine Concerte ankündigte, schlug, nach»
dem ihn die Mailänder einmal gehört,
zu 3iszt's Gunsten aus, denn zu jedem
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Leon-Lomeni, Band 15
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Leon-Lomeni
- Band
- 15
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1866
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 499
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon