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Föwc 432 Löwe
Rollen Löwe's u. a.: „ In den äußeren
Mitteln deS Mimen liegt immer die Bedingniß
seiner geistigen Leistungen, denn so wie die
Kunst sich von der Natur nicht entfernen darf,
so darf der Künstler selbst nicht über sein
Naturell hinaus. Wir haben an Löwe vor
Allem eine höchst künstlerische Entfaltung
seiner äußeren Mittel anzuerkennen. Er be>
herrscht die Kraft seiner Physis mit einer
sicheren Gewandtheit, die sich als männliche
Grazie bezeichnen läßt. Sein Muskel« und
Gliederspiel ist bewunderungswürdig, seine
Attitüden fest und streng berechnet, ohne daß
sie gesucht erscheinen; sein ganzes äußeres
Wesen besticht durch ebensoviel edle Würde
als einschmeichelnde Anmuth. Seinem Organe
fehlt es vielleicht an tiefen Tönen, deßhalb
ist es im Tragischen nicht immer ausreichend,
wenigstens konimt es der Erschöpfung nahe;
in der Elegie, wie im „Corregio". wird es
auf die Dauer etwas eintönig. In Allem,
was die conversationellen Elemente einer
Rolle betrifft, ist Löwe meisterhaft. Hier
entfaltet sich sein Organ zu angemesst'mr
Weite und die gesunde Genialität seiner
rüstigen Natur reißt hin. Seine Mimik ist
unbedeutend, desto oollkomlM'ner sein Masken»
fpicl. Dieß muß man unterscheiden. Wenn
rr als „Garrik" — ln dem Deinhardstein»
fchen Lustspiel roll impertinenter Langweile
— den alten hinkenden und einäugigen „John-
so n" so vortrefflich gibt. so ist das nur Mas»
wlspicl, mehr nicht. Mimik ist die Ausprä,
gung der wechselnden Seelenstimmung im
Gesicht und im ganzen Habitus. . . . Durch,
aus vortrefflich, wie immer, wo der Gedanke des
Dichters vollauf verkörpert wird, ist Löwe
als „Fiesco". Das Pragmatische. That»
sächlichkräftige, das Robustgesunde, das dreiste
Heldenthum, das gibt er mit genialer Sicher»
heit. — Löwe's flotter Humor, die gesunde
und gleichwohl noble Feinheit seiner Komik
ist, im Vereine mit seiner gediegenen Ge«
wandtheit im ConversationSstück, vielleicht
seinem tragischen Talent nach voranzusetzen."
— Löwe's Biograph in den „Männern der
Zeit" charatterisirt den Künstler treffend fol«
gendermaßen: „Löwe gehört dulch seinen
Bildungsgang und sein Porbild, Bayer,
noch der alten Kunstschule an. deren Ent»
stehung sich an den Namen I f f l and knüpft.
Wahrheit galt derselben als höchstes Ziel
und sie ist auch die einzige Aufgabe, welche
sich Löwe bei seinen schauspielerischen Stu-
dien stellte. Von der Natur ist er für die Bühne mit allen Mitteln reich ausgestattet,
und er hat sich selbst im Alter noch frisck
und fast unversehrt zu erhalten gewußt.
Früher war er ein trefflicher Repräsentant
jugendlicher Rollen. z.B. des Carlos. Mar
Piccolomini. Romeo; in reiferen Jahren über-
nahm er das Fach der ersten Helden und
Heldenväter, und was er darin geleistet, ge«
hört mit zu dem Schönsten und Bedeutend-
sten, dessen sich die Kunst in der Gegenwart
rühmen kann. Löwe's Auffassung und Dar-
stellung ist eine tiefpoetische, selbst flache
Charaktere weiß er in einen poetischen Nim»
bus. einen geistigen Duft zu hüllen. Wir
erinnern z. B. an das nach alter Sitte in
Wien jährlich am Allerseelentage gegebn
Raupach'fche Rührstück „Der Müller und
sein Kind", worin Löwe die Hauptrolle in
der ergreifendsten Weise zu spielen weiß. Auf
der Höhe der Kunst steht Löwe in Rollen
wie Götz, Macbeth, Tell, Hebbel's Holo
fernes u. a. und bei allem Kraftaufwande, ;u
dem derlei Parthien auffordern, ist es doch
eigenthümlich an ihm. daß er diese Kraft stets
mit Anmuth zu verbinden weiß. Doch nicht
bloß im Heldenhaften unv Gewaltigen leistet
Löwe Hervorragendes, sondern auch im Lust«
. spiele ist er Meister und namentlich aristokra-
tische Vaterrollen weiß er mit vollendetem
adligen Pli und der feinsten Komik darzu-
stellen, wie das z. B. sein Marquis im
Fräulein von Seigliöre und sein Rocheferner
in der Piquetparthie beweisen können. Eine
seiner Glanzrollen ist außerdem der Wacht-
meister Werner in Lessing's „Minna uon
Barnhelm". Dem Bilde kernhafter, straffer,
ausgewetterter Gesundheit und eckiger Ge-
radheit, welches er in dieser Parthie aufrollt,
kommt der Zauber aus dem Herzen drin-
gender Jovialität und Bonhomie zu Hilfe,
um die Liebe des jungen Mädchens zu dem
alternden Manne glaublich zu machen." —
Diese Charakteristiken des Künstlers Löwe
schließen wir mit der Silhouette, welche Caje>
tan Cerri in der „Iris" 1850 von Löwe
mit folgenden Worten entwirft: „Wenn der
selige Dr. Wiest noch lebte, welcher in der
„Theater»Zeitung" die Lind eine „menschge-
wordene Lyra" nannte, so müßte er conse-
quent uns'ren Löwe als einen „menschge-
wordenen Vesuv" bezeichnen. Welche Gluth.
welches belebende Feuer in dieser unverwüst«
lichen Natur! Ziemlich große und starkbeleibte
Figur; braune Perrücke; lebhaftes Auge; blat
ternarbiges Gesicht; sein scharfes Profil hat
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Leon-Lomeni, Band 15
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Leon-Lomeni
- Band
- 15
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1866
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 499
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon