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Madäch 230 Madäcs
schen erweckt. Hiermit wollen wir keineswegs
sagen, daß Madäch nur ein reflektirender,
kein poetischer Geist sei — wer über eine so
melodische Sprache verfügt, wie dieses Werk
sie an so vielen Stellen ausweist, ist ein
echter Dichter, wenn auch nicht schon so
viele echt poetische Einzelnheiten der „Tra>
gödie" es bewiesen; daß diese Dichtung nicht
5« voller erwärmender Wirkung gelangt, daran
tragt unseres Erachtens nur das Mosaikartige
der Composition Schuld, wodurch der Dich«
ter sich selbst an der vollen Entfaltung seiner
poetischen Kraft hinderte. Daß er aber bei
der so Vieles umfassenden Composition durch-
wegs klar blieb und nirgends in jene Nebel»
haftigkeit verfiel, deren Gefahr so nahe liegt,
und in welche so viele poetische Weltgrübler
grübelnde Poeten verfallen sind, ist ein nicht
genug hervorzuhebendes Verdienst des Dich-
ters. Auch hat er bei aller Geistesschärfe
und dem stellenweisen Humor, mit welchem
er in Lucifer den frivolen Gegensatz zum
gläubigen idealen Streben des Menschen hin«
stellte, es wohl vermieden, die Frivolität durch
unwürdige Bilder auszudrücken; in welchen
Fehler mancher Dichter mit titanischen Ten«
denzen verfiel. Nebst der Vollständigkeit der
Ausführung im Einzelnen, die wir im Namen
der Poesie vermissen, wird der Leser in der
vorliegenden Dichtung manches Moment von
allgemein anerkannter Wichtigkeit und histo»
rischer Bedeutung entbehren, so z. B. die
Reformation oder das heutige Ringen nach
einem Austrag des Verhältnisses zwischen
Staat und Kirche. Die Abwesenheit dieser
Momente ist jedoch kein Fehler; der Dichter
hätte seinen Zweck auch dann erreicht, wenn
er die Vergangenheit. Gegenwart und Zukunft
der Menschheit nur durch je ein einziges
Moment geschildert hätte — und es
stand
ihm
frei, aus dem ihm gebotenen Stoffe zu wäh»
len, wo und was er wollte. Wir erwähnen
dieser Lücken nur. weil der Leser nicht ver»
fehlen wird. sie zu entdecken, da nun einmal
sein Blick vom Dichter auf das ganze Gebiet
der Geschichte hingelenkt wurde; — noch
wahrscheinlicher aber werden die Leser dieser
Dichtung darin die nähere Berührung eines
nationalen Momentes vermissen. Die ganze
ungarische poetische Literatur ist national, ist
patriotisch, nur diese einzige Erscheinung, die
in eine von patriotischen Kundgebungen sich
mehr als gewöhnlich auszeichnende Zeit fällt,
ist so kosmopolitischer Natur, wie nur irgend
cine Dichtung der Welt". Peter (Arzt, geb. zu
Nagy-Veszverss (Ober-Poloma)
in der Gömörer Gespanschaft Ungarns
28. Februar 1729, gest. zu Kishont
20. November 1803). Ein vornehmlich
durch seine wechselvollen Schicksale und
die Charakterstärke, mit welcher er allem
Ungemach Trotz bietend, seine, von
den schwersten Bedrängnissen durchkreuzte
wissenschaftliche Laufbahn vollendete,
denkwürdiger Arzt. Sein Vater, evan»
gelichen Glaubens, war ein armer
aber unterrichteter Landmann, der wegen
seiner Kenntniß der Bibel und lateini«
schen Sprache viel Ansehen besaß unter
den Bewohnern seines Dorfes. Nachdem
der Sohn die Elementarschulen in ver»
schiedenen Orten besucht, begab er sich
auf die, seiner Zeit berühmte Schule der
Reformirten in Debreczin, wo er unter
tüchtigen Lehrern seine Kenntnisse aus«
bildete uno den Entschluß faßte, Medicia
zu studiren. Seiner Sehnsucht, nunmehr
eine auswärtige Universität zu besuchen,
stellten sich jedoch große Hindernisse ent«
gegen, vor allem die äußerste Armuth
und den Gesetzen des Landes gemäß
durften nur Adelige oder Freigeborene,
und diese letzteren auf eigene Kosten, sich
in'S Ausland begeben. Endlich aber
war sein Bildungsdrang mäcbtiger als
alle Verbote. Ohne Wissen und Ein-
will'lgung seines Vaters begab er sich
Ende 4734 heimlich nach Breslau.
Unter dem fremden Namen Pisztri»
czany — um jede Spur von sich ab»
zulenken — war er dahin gekommen
und entblößt von aller Barschaft, hatte
er noch das Unglück, daß die wenigen
Habseligkeiten, die er mitgenommen,
während seiner Abwesenheit im Wirths«
hause gestohlen wurden. In "dieser tröst«
losen Lage, schon im Begriff Soldat zu
werden, fand er in dem Professor des
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Londonia-Marlow, Band 16
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Londonia-Marlow
- Band
- 16
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1867
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 514
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon