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sten gekanntes und durcb Johannes
B o r b i s ' „Die evangelisch-lutherische
Kirche Ungarns in ihrer geschichtlichen
Entwickelung", völlig verdrängtes Werk
u. dgl. m.; aber alle die genannten
Schriften entstanden auS der Noth des
Lebens, das gefristet sein wollte, und war
nicht immer Lust und Freude, ja nicht
einmal innerer Veruf bei diesen Arbeiten
betheiligt. EineS von achtzehn Kindern,
waren ihm Glücksgüter nur spärlich zu«
gedacht und dieses spärliche bald aufge-
zehrt. Er war. um mit seinen sich täglich
mindernden Einkünften leben zu können,
aus dem theueren Wien nach München
überfiedelt, wo die königliche Akademie
der Wissenschaften den gelehrten Mann
zu würdigen und ehren wußte, da sie ihn
unter die Zahl ihrer Mitglieder aufnahm.
Seinem Stande und seiner hohen Bil.
düng entsprechend, lebte er dorl seit
mehreren Jahren mit seiner Tochter in
den höchsten und in dm gebildetsten
Kreisen Münchens, wo ihm stets seine
überaus liebenswürdige Persönlichkeit
und seine geselligen Talente die beste
Aufnahme und die größte Anerkennung
sicherten. Besonders wohlthuend, ja rüh»
rend war sein Verhältniß zu seiner Toch-
ter. welcher er einen großen Theil seiner
Werke dictirt und die er durch seinen
steten Umgang mit ihr ganz zu sich
herangebildet hatte, von der er aber auch
mit einer unbeschreiblichen Zärtlichkeit
geliebt ward. Nachdem er daS kostspielige
Wien verlassen und sich in München mit
der Hoffnung niedergelassen hatte, sich
irgend einen Wirkungskreis zu ver»
schaffen, der ihm und seiner Tochter,
welche ihn auf allen seinen Lebenswegen
wie ein treuer Engel begleitete, eine
sorgenfreie Existenz sicherte und auch
seine bescheidensten Hoffnungen nicht
in Erfüllung gingen, seine Noth unge» achtet der großmüthigsten Unterstützun»
gen seiner Freunde sich mit jedem Tage
verschlimmerte,, der Horizont sich immer
dunkler und dunkler um;og. in dieser
Verlassenheit von Allem, woran er noch
eine leise Hoffnung geknüpft, machte er
sich endlich mit dem Gedanken vertraut,
seinem Leben ein Ende zu machen. Bei
dem innigen Verhältniß zwischen Vater
und Tochter, konnte das Vorhaben des
Vaters der Tochter nicht verborgen blei»
ben, nicht nur. daß fie gewohnt war, in
jeder Miene des Vaters seinen Seelen-
zustand zu lesen, fondern es mußte sogar
zu Besprechungen über diesen Gedanken
zwischen beiden gekommen sein und es
bebt die Feder davor zurück, wenn es
gälte, die Unterredungen zu schildern,
welche statt hatten, wenn den m Ver«
Deiflung ringenden Vater die Tochter
in Begeisterung kindlicher Liebe nicht
überleben wollte. So hatte denn die
gemeine Noth des Lebens, die Sorge
um das tägliche trockene Brot. um daS
ärmliche Kleid am Leibe, einen Mann.
der den höheren Ständen angehört, den
Abkömmling einer angesehenen begüterten
Familie, der bis in fein siebzigstes Jahr
eben diese Noth des Lebens schweigend er-
tragen, zur Selbstvernichtung gezwungen,
und aufopfemde Liebe ihm in daS kalte
Grab der Fluthen freiwillig folgen lassen.
Am 3. Jänner entfernten sich beide.
Vater und Tochter, von München und
fanden, an den Armen aneinander ge-
bunden, wie im Leben so im Tode ver-
eint im Starenberger«See ihren Unter«
gang. Sie wurden Beide am 4. Jänner
bei Ammerland herausgezogen. Sie
waren mit einem großen Tuche fest an
inander gebunden und hatten die
Taschen mit Steinen gefüllt. — Noch
st hier einer eigenthümlichen Begabung
Majläth's zu gedenken, nämlich seines
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Londonia-Marlow, Band 16
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Londonia-Marlow
- Band
- 16
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1867
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 514
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon