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damals das Drama in Italien trug, vo
sich abwarf und zum ersten Male mi
wahrhaft nationalen historischen Drame
auftrat. Nicht bloß im Vaterlande —
einzelne Stimmen ausgenommen — wu
den beide Dramen mit Begeisterung
aufgenommen, auch deutsche, englisch,
ja selbst französische Kritiker gestandn
den Dichtungen hohen Werth zu un'
- von Goethe ist es bekannt, daß
M a n z o n i als einen „wahrhaften,
klar auffassenden, innig durchdringenden,
menschlich fühlenden und gemüthliche
Dichter" bezeichnete. Die Sprache darin,
wie ein Kritiker schreibt, ist in der Thal
edel, voll und reich, nicht sententiös,
aber durch große Gedanken erhebeni
und erfreuend, und das Ganze hinter»
laßt einen mehr als gewöhnlichen, stellen»
weise selbst großartigen Eindruck. DieCha>
raktere gehören zwar alle einem gewissen
politisch.moralischen Ideenkreise an, si
haben keine in's Detail eingehende indi>
viduelle Ausarbeitung erfahren, aber eir
jeder hat doch im Ganzen und Großen
viel gründliches, gesundes und kerniges
Leben. Auck einen Chor hat Manzoni
in diese Tragödie verflochten. Dieser Chor
ist keineswegs theilnehmend au der Hand
lung, sondern ein Verein für sich, eine
Art lautwecdenden und seine Meinung
äußernden PMicums. Bei der Auffüh«
rung mußte man ihm einen besonderen
Platz anweisen, wodurch er sich ankün»
digte, wie etwa unser modernes Orchester.
Diese kunstvoll eingelegten Chöre erin-
nern an die besten altgriechischen Muster.
Mit Recht bewunderte man darin die
Neuheit und Tiefe der Gedanken, so wie
den Schwung und die Plastik der
Sprache. „ I l oonts äi OaruIÄFnolg."
war im Jahre 4820 zuerst gedruckt er-
schienen, daS Jahr zuvor hatte Silvio
P e l l i c o 's ^^ 211013 os. Hg. einen großartigen Erfolg bei ihrem Er«
scheinen erlebt, während Manzoni 's
philosophisches religiöses Werk: „H^cr
?wo?-a?s eatto^'ea", welches zu gleicher
Zeit erschien, damals nahezu unbeachtet
blieb. Der Graf von Carmagnola ist
in's Deutsche von August A r n o l d
(Gotha 1824) überseht. Dem Oonts
äi OarmaFnola. folgte im Jahre 1822
„^äkioki«, worin Manzoni die Er«
oberung der Longobarden durch Kar l
den Großen behandelt. Aus einem Briefe,
in welchem Victor Cousin über seinen
zweiten Besuch, den er im Jahre 1827
Goethe abstattete, berichtet, erfahren
wir Goethe's Ansicht über diese Dich.
tung. „Manzoni" . sagt Goethe,«„hält
sich an die Geschichte und die Personell,
wie sie sie bietet; aber er erhebt sie bis
zu uns durch den Charakter, welchen er
ihnen gibt, er leiht ihnen unsere mensch«
lichen, selbst unsere liberalen Gefühle und
er hat Recht, wir können uns nur für
den interessiren, der ein wenig Aehnlich«
keit mit uns hat uud nicht für die 3on«
gobarden und den Hof Ka r l ' s des
Großen, der vielleicht etwas zu rauh sein
würde. Sehen sie Adelchi (der Sohn
es Longobarden-Königs Desiderius),
s ist ein Charakter von Manzoni 's
Erfindung". Cousin erwiederte darauf
Goethe: „Die Gefühle deS sterbenden
delchi sind die Gefühle Manzoni 's
'elbft. Manzon i , der immer lyrische
Dichter, hat im Adelchi sich gemalt". —
Ja wahrhaftig, bemerkte Goethe, seit
anger Zeit habe ich seine Seele und feine
rt zu empfinden aus seinen „Inni saari"
ekannt; er ist ein unverfälschter und
ugendhafter Katholik." Interessant ist es
bemerken, wie M a n z o n i . dieser
laubige Katholik, durch König Desi-
er ius, der den Papst nöthigen will.
ur noch „König der Gebete und Beherr
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Londonia-Marlow, Band 16
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Londonia-Marlow
- Band
- 16
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1867
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 514
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon