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Marinovich 430 Marinovich
der Officiere und Beamten war man
gewiß — ein Mann weg, und das
Arsenal von Venedig lag den listigen
Verleitern des Pöbels zu Füßen. Will
man auch nicht so weit gehen zu behaup
ten, daß Manin und Genossen unmittel'
bar veranlaßt haben, was sich gräßliches
am Vormittage des 22. März im Arse-
nale von Venedig zutrug, gewiß ist,
daß es ihnen darum zu thun war, den
größten Stein des Anstoßes auf die eine
oder andere Weise außer Spiel zu brin
gen. Daß ihnen also jener Mann, nach
dem ihn ohne ihr Zuthun ein furchtbares
Schicksal ereilte, „sehr gelegen starb",
dafür zeigt der ganze Verlauf der Ereig
niffe, dafür zeugt vor Allem das schmach-
volle Stillschweigen, das sich gegenüber
einer so kannibalischen That auch nicht
den leisesten Haucb von Tadel oder Miß
billigung entschlüpfen ließ. Weder die
Warnung wohlmeinender Freunde noch
die Abmahnungen seines Vorgesetzten,
des Feldmarschall<Lieutenants Mar t in i ,
wenigstens für diesen Tag das Arsenal
nicht zu betreten, vermochten den Arsenal»
commandanten von der gewissenhaften
Erfüllung seiner Dienstpflicht abzuhalten.
Obgleich Marinovich so vorsichtig
war, mit seinem Erscheinen im Arsenale
am Morgen des 22. März nicht heraus»
forderndes Spiel zu treiben, so wußten
es doch bald Mehrere, unter den Arbei-
tern lief die Kunde von Mund zu Mund
und wildes Gebrüll „Norts a Uarwo-
viek!" erscholl alsbald durch die Reihen.
Marinovich wurde jetzt die Gefahr
inne, in die er sich gestürzt. Er warf sich
in eine gedeckte Barke, einige Ofsiciere
wollten ihn durch das sogenannte neue
Thor gegenüber den öffentlichen Gärten
entschlüpfen lassen. Doch das Thor war
verschlossen, der Schlüssel muß gesucht
werden, und: „den Schlüssel zur ?orta für den Obersten Marinovick!"
verbreitet sich's mit Blitzesschnelle durch
das Arsenal. Die Arbeiter eilten in Masse
in die bezeichnete Gegend, vergebens such»
ten einige der beliebteren Ofsiciere sie zu
beschwichtigen, wahrend das Schiffchen
in der Mitte des Kanals Isoletto auf-
und abfährt. Da entschließt sich M. an's
Land zu steigen; er umarmt den roacb»
habenden Officier und bittet ihn um Ver»
theidigung seines Lebens. Dieser händigt
ihm die Schlüssel des nahegelegenen
Thurmes ein, in den sich Mar inovich
wirft, um in dessen oberen Räumen Hilfe
und Erlösung abzuwarten. Die untere
Thüre hatte er hinter sich zugeworfen
und abgesperrt, die Stiege gewonnen,
doch den Eingang, der in das obere
Stockwerk führt, findet er geschlossen.
Schon kommt ein Haufe der Wüthenden
an die untere Thüre heran, mit Axtschlä«
gen wird diese gesprengt und herein
dringen wuthschnaubend die Vordersten,
einen Augenblick stille haltend bei dem
Anblicke des Obersten, der, mit zwei
Pistolen in der einen Hand, mit dem
gezogenen Säbel in der andern, auf der
Höhe der Stiege steht. „Wollt ihr mich
lebend oder todt?" fragt er mit fester
Stimme. „Lebend", donnert die Menge.
Er verspricht von seinen Waffen keinen
Gebrauch zu machen und schreitet die
Treppe herab. Die Arbeiter stürzen ihm
entgegen die Treppe hinauf und wie sich
die rachedürstenden Leute an ihn drän^
gen, stößt ihm Einer sein Werkzeug, einen
ungeheuren Schiffsbohrer, von unten
hinauf in den Bauch, von den Anderen
-allen Stiche. Stöße, Schläge auf den
rücklings Hinstürzenden ein, der unter
Flüchen und Verwünschungen bei den
Beinen ergriffen und die Stiege herab«
gezerrt wird, daß der Kopf von Stufe zu
Stufe mit dumpfem Gepolter niederfallt.
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Londonia-Marlow, Band 16
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Londonia-Marlow
- Band
- 16
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1867
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 514
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon