Seite - 43 - in Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Metastasio-Molitor, Band 18
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Metternich 43 Metternich
anerkannte. Er schätzte zwar nur jene Geister,
die sich ihm zur Disposition stellten, und er
fürchtete nichts mehr, als jenen Geist, der,
wie er glaubte, „in falschen Bahnen irre«
geleitet wäre"; allein stets fühlte er da5
Bedürfniß und die Nothwendigkeit, sich mit
Denkern und Schriftstellern zu umgeben.
Fürst Metternich wußte, was die Form
werth war, welche die „Schreiber", wie man
sie oft nennt, seinen Gedanken zu geben
verstanden, und oft waren es auch die Ge«
danken dieser „Schreiber", denen er ein
williges Ohr lieh. Metternich verfolgte
die Literatur mit dem gespanntesten Interesse,
nie wendete er seine Blicke von der deutschen
literarischen Bewegung seiner Zeit ab, und
stets ging er einher, forschend, wen er
gewinne. Berief er auch keine Professoren aus
Norddeutschland, um das Volk zu erziehen,
so berief er doch um so häufiger Journalisten,
wie Gentz u. s. w., die dem Volke die
Lehre von der Wichtigkeit seines Princips
auseinandersetzen mußten. Fürst Metier»
nich starb im hohen Alter, wie viele ausge»
zeichnete Männer: Denker, Staatsmänner
und Künstler. Es scheint, daß es auch eine
Gymnastik des Geistes gibt. die das Leben
verlängert, wie körperliche Ausbildung und
Strapatzen die Lebensdauer ausdehnen. Die
letzten Jahre seines Lebens bewohnte er sein
Palais auf dem Nennwege. Ein Gartenhaus
trug daselbst in goldenen Lettern die Inschrift:
„Varva äormiL inkFQk quiss". Diese Worte
präglen sich ihn, damals, wo der Fürst fern
von Oesterreich lebte, in seiner eigenthüm«
lichen Bedeutung tief ein. Er mußte oft
daran denken. Heute haben sie einen anderen
noch tieferen Sinn. Der Fürst ruht im
Grabe. ?g.rv», ÄomviL inkFQa, yuioL!" —
Adolph Schmidt über Metternich.
In anderer Weise faßt dieser Geschichtschrei'
ber in seiner „Zeitgenössischen Geschichte" den
Fürsten auf. „Ein Wahn ist es", schreibt
Schmidt, „Metternich für einen all»
mächtigen Minister, seinen Einfluß für einen
unbeschränkten zu halten oder auszugeben.
I n der inneren Verwaltung wurde er sogar,
wie Graf Hart ig behauptete, „selten ge>
hört und absichtlich fern gehalten". DaS war
vielmehr das Gebiet, worin der Kaiser selbst
„wie ein Bureauchef" arbeitete, und so
emsig, daß er sich selbst das Zeugniß gab:
er hätte wohl „ein brauchbarer Hofrath"
werden können. Aber es gab auch noch
andere Schranken für Mette rnich's Ein« fluß. Vermeinte dieser gleich, daß er „nicht
einen persönlichen Feind in der Welt habe" :
so ist doch nichts gewisser, als daß Neid,
Eifersucht und eine Fülle abweichender Auf»
fassungen änd Wünsche von oben und unten
her seine Stellung umflossen und bedrohten,
ja mehr als einmal in ein Schwanken und
in ernstliche Gefahren brachten. Und dann
war es doch nicht immer bloß die allerdings
in allen Regionen tief eingewurzelte Mei»
nung, daß er der Unentbehrliche oder Un<
vermeidliche sei. wodurch ftine Stellung
erneute Festigkeit oder, besser gesagt, fernere
Dauer gewann; sondern vielmehr eben die
Schwäche seiner Natur, vermöge deren er
zumal bei Anlässen, wo jedes Mitglied der
kaiserlichen Familie und jeder höhere Staats»
beamte mitreden zu dürfen glaubte, ebenso
leicht, ja leichter noch im Angriffe als im
Widerstände erlahmte und nach allen Nich«
tungen hin eine Nachgiebigkeit bethätigte,
welche die Betheiligten oder Näherstehenden
beschwichtigte, und von den Millionen, die
fern standen, bei ihm am allerwenigsten
vorausgesetzt ward. Metternich erschien
der Welt mittelst der Wirkungen der äußern
und innern Politik Oesterreichs, wie die
spinnende Urkraft im Centrum eines unge«
Heuren Gewebes der politischen Intriguen;
während die Fäden desselben in ihm mehr nur
einen Durchgangs' als einen Ausgangspunct
fanden, und während er in der That weder
ein urkräftiges Wesen, noch die Ader eines
Intriguanten oder eines Despoten besaß. Um
das eine oder das andere zu sein, war er^in
geistiger und sittlicher Beziehung viel zu
straff und concentrisch geartet, war er viel
zu sehr rin galanter, entgegenkommender und
redseliger Lebemann. Niemand war schlechter
auf ihn zu sprechen als Graf S tad ion ,
als er 1809 bei Beendigung des Krieges
das Portefeuille des Aeußern an Metter»
nich abgeben mußte, der damit die Stel<
lung errang, die er seitdem ununterbrochen
behauptete. Dennoch gab ihm Stad ion,
selbst in der höchsten Culmination seines
Unmuthes alles eher, als das Zeugniß eines
Intriguanten oder eines Kraftmenschen. „Ich
würde glauben", äußerte er. „Metternich
habe diese Niesengluth entzündet, bloß in der
Gier, mein Portefeuille an sich zu reißen
und auf meinem Platze zu stehen, wenn ich
diesen leichtsinnigen Lebemann eines so ernsten
und festen Gedankens fähig erachten könnte."
Und wirklich war Metternich selbst bei.
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Metastasio-Molitor, Band 18
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Metastasio-Molitor
- Band
- 18
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1868
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 522
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon