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Neftroy 220 Aejtroy
— 34) Johann Nestroy als Jupiter in
Offenbach's „Orpheus". Nach Stur's
Originalzeichnung photograptzirt (Wien 1362,
Ios. Bermann. Visitk, Form.). — 36) Johann
Nestroy. Costumebilo als Hausm eiste«
rin. Original-Photographie in Visitkarten«
Format (Wien i86l. bei Ios. Bermann). —
36) Zwei Costumebilder Nestroy's. Photo»
graphien nach Fritsch (Wien. Z. Bermann.
Visitkarten-Format). — 37) Darstellungen
Nestroy's als Gott Pan, Sansquartier und
Fliege gibt es in colorirtem Bisquit, in Guß-
eisen und Guttapercha. — 38) Herr von
Karajan. Präsident der kaiserlichen Akade»
mie der Wissenschaften, besttzr eine Suite von
etwa 20 Original Aquarellskizzen, deren einige
mit dem Namen Fischer bezeichnet sind,
ganz in französischem Genre und geistvoll
gebacht, welche Neftroy in den Rollen als
Sansquartier, Robert der Deirl, als Wachter
im Tell. Knieriem in Lumpacivagabundus,
Nazi, Tratschmiol, Weinberl und in den
Possen der Unbedeutende, Hutmacher und
Strumpfwirker. Geheimnisse des grauen
Hauses, Talisman und Werthers Leiden
darstellen.
VI. Urtheile über Nestroy den Dichter, Darsteller
und den Menschen. Es ist eine ganz artige
Blumenlese von Urtheilen über diesen Faun
der Wiener Posse erschienen; nicht nur die
Wiener Journalistik, welche tüchtige kritische
Kämpen in ihren Reihen auszuweisen hat. wie
Emil Kuh. Kompert. Meynert, Schle«
jinger, UH1 U.A., auch die Matadore der
deutschen Theaterkritik und selbst der Litera»
turgeschichte nahmen das Wort in Sachen
Nestroy's, und einige derselben, ohne Rück»
sicht, ob sie anerkennend oder verwerfend lau«
ten. mögen hier eine Stelle finden, um das
Bild des Mannes vollenden zu helfen, der
in seiner Art eine Specialität war. die seines
Gleichen bisher nicht hat. Es ist billig, die
Fachkritik den Reigen eröffnen zu lassen.
Rudolph Vottschall, in seiner Literaturae«
schichte widmet Nestroy nur einige Pinsel«
stricke. Nachdem er über Raimund's Possen
gesprochen, welche, wie er schreibt, alle ein
poelischer Hauch durchweht, deren Farben
warm. deren psychologische Effecte oft ergrei«
fend. und deren Grundlage stets sittlich, geht
er zu Nestroy über. „Das von Raimund
Gesagte", schreibt Gotisch a l l . „gilt bei
Weitem weniger von den Possen Johann
Nestroy's („Lumpacivagabundus". „Der
Unbedeutende". „Die uerhängnißvolle Wette" u. a.), welcher schon den Uebergang zur bur,
lesken Posse bildet, frivol und dreist bis zur
Zweideutigkeit in Charakteren. Situationen
und Dialog, und seine Götter, die ihm eigen«
thümlich angehören, ohne alle idealen Attri«
bute sehr anthropomorphisch gestaltet. Doch
ist er, ohne Raimund's humoristische Tiefe,
witziger als dieser, ein Ostade und Teniers
in kecker Auffassung der Volkscharaktere, und
versteht es geschickt, mit den Hilfsmitteln der
Bühne zu wirken." — Kompcrt, der bei
Gelegenheit von Nestroy's Tode in kurzem
aber scharfem Umrisse den Uebergang von
Raimund's Feenspielen zu Nestroy's Fau<
nen,Soectakeln und von diesen zu Offen-
bach's süßlichem Klingklang gezeichnet, und
nachgewiesen, wie von Raimund's poetisch
duftigem Märchen „Der Verschwender" zuletzt
durch Offenbach die Producte einer unse,
rem Volksaemüthe gänzlich fremden, über«
reizten und ungesunden Phantasie demselben
Wien gewaltsam aufgepfropft worden, schließt
nun seine Charakteristik Nestroy's in fol«
gender Weise.- „Es war eine eigenthümliche
Schickung, daß ihm das doppelte Talent der
Gestaltungs- und der Darstellungsaabe von
der Natur verliehen worden war. Die erstere
übte ihren vollen dämonischen Zauber erst
mittelst der zweiten aus. Sie bedingten sich
beide so sehr in und durch einander, daß die
eine ohne die andere nicht getrennt zu denken
ist. Wem wird es entgangen sein, welche
unheimliche Macht die Nestroy'sche Phrase
und die Nestroy'sche Gcberde in der Wiener
Gesellschaft geworden. Nicht „unten" allein,
und wunderbarer Weise viel seltener in jenen
Schichten, die wir mit „Volk" tituliren. als
vielmehr da „oben", gerade in jenen Kreisen,
die von dem Firniß der Erziehung und Bit»
düng überzogen gedacht werden, hat sie ihre
üppigsten Ableger gefunden, und wurde und
wird am meisten gehegt. Seinem ganzen
Wesen nach eine lebendige Travestie und
Satyre auf gewisse Auswüchse überbildeter
" Civilisation, mußte Nestroy's Genius gerade
in jemer Phrase und Geberde von Jenen am
richtigsten aufgegriffen werden, die ein ange»
borneö Verständniß dafür mitbrachten. Daher
die merkwürdige Erscheinung, daß die Söhne
jener Väter, die noch von S ch i l l er'schen
Citaten überströmten oder Raimund'sche
Couplets vor sich hintralierten. daß die Söhne,
derselben Väter, die mit einem gewissen nai-
orn Enthusiasmus sich der Thränen nicht
schämten, die sie im Theater reichlich vergos«
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Nabielak-Odelga, Band 20
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Nabielak-Odelga
- Band
- 20
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1869
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 514
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon