Web-Books
im Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Lexika
Wurzbach-Lexikon
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Nabielak-Odelga, Band 20
Seite - 223 -
  • Benutzer
  • Version
    • Vollversion
    • Textversion
  • Sprache
    • Deutsch
    • English - Englisch

Seite - 223 - in Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Nabielak-Odelga, Band 20

Bild der Seite - 223 -

Bild der Seite - 223 - in Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Nabielak-Odelga, Band 20

Text der Seite - 223 -

Neftroy 223 Meftroy robert*). Und dieser Wiener Bo isrobert ist — Nestroy, denn auch dieser Nestroy ist eine Erscheinung, die, wenn sie einst vom Schauplätze ihrer bisherigen Wirksamkeit zu rücktritt, schwerlich jemals wiederkommt. . . , Nestroy ist vom Scheitel bis zur Schuh, sohle eine Caricatur, jeder Zoll in ihm ist eine Charge, jedes Wort, jede Miene, jede Bewegung, jede Fiber, jede Faser, jeder Neru ist eine ätzende und zersetzende Satyre, eine beizl'.ide, reizende Ironie, eine cannibalische Malice, eine blutrißende Persiflage, eine Casti'sche Travestie, eine jungchegel'sche Ver< neinung alles Bestehenden, eine noch nie da^ gewesene Verhöhnung alles dessen, was bis« her in der Kunst dagewesen ist. Ich zersinne mein Gehirn und finde keinen Caricaturen» maler, mit welchcni ich Nestroy, diese zu Fleisch gewordene Charge, passend vergleichen soll. Er ist kein Hogarth, kein Gi l l ray , kein Cruikshcink, kein Goya; er ist kein Gavarn i , kein Daumier, kein Cham, Nestroy ist eben mehr als jeder dieser Ein» zelnen.- in ihm vereint sich der Geist und dic Schärfe, die, Lauge imd die Kaustik, der Spott und der Hohn aller dieser Meister; er ist das geborne Ou-e-st-äsnii der Caricatur, eine Encyklopädie der Satyre. eine Quint« essenz der Ironie, das Ns-oouyust der Paro« dir, eine Incarnation des PH ilippon'schen ^^ournal poui> rirs". Nestroy ist aber nicht bloß Darsteller: er ist auch Dichter, und fast jedes seiner Stücke, das sich seit dreißig Iah< ren auf allen Repertoiren erhalten, Hunderte von Bühnen bereichert, und Millionen von Zuhörern ergötzt und erheitert hat, ist eine Abspiegelung seiner parooistischen Natur, eine schäumende Perle, die er wie Champagner aus seinem Innem herausschnellt; jedes seiner Stücke ist, wie jedes seiner Bonmots, urko- misch, schlagend, fesselnd, zündend wie er selbst. — Seid ihr mürrisch und lebensmüde, „xi-suss VoiLi-odei-t". Wollt ihr wieder hei« ter werden und euch geistig vergnügen, seht allabendlich diesen Tausendsasa Nestroy. Wollt ihr Kranke euch gesund, wollt ihr als Gesunde euch krank lachen, „pronss Iioi8- roosrt". Lachen ist mehr, als bloßer Zwerch' fellkitzel; Lachen ist Hochgenuß, Lachen ist *) Boisrobert ist ein berühmter Schalk und komi« scher Poet auS der Zeit Richelieu's. Als Riche» l ieu zu kränkeln begann, rerschrieb ihm einer sei. ZwüichfellS für den leidenden üardinal zuträglich hielt. dnS lakonische Recept: «krene-LaiHlobert". Tugend; denn so lange man lacht, sündigt man nicht. Ich selber war niemals tugend< hafter, als an jenen Abenden, an welchen Nestroy's unversiegbare Komik mich zum Lachen hinriß. Ich vergaß allen Groll, alle Bitterkeit; ich lachte über ihn und lachte über mich, daß ich noch lachen kann gr^uä insino..." — Ganz im Gegensatze zu Oet» tinger's Apostrophe auf Nestroy'S Dar steller» und Dichtergabe läßt sich erbarmungs« los strenge Gustav Schlesiirs Urtheil über Nestroy hören — wenigstens scheint die Chiffre (3. 8. unter demselben im „Telegraph", S. 74?, welcher im Jahre 1842 in Leipzig, erschien, diesem seiner Zeit viel und mit Necht gewürdigten Publizisten anzugehören. Gust. Schlesier schrieb es, nachdem er eines Abends im Theater zu Hamburg Nestroy'ö „Mädel aus der Vorstadt" aufführen gesehen. Er schreibt: „Ein gutes Stück, von einer schlechten Gesellschaft aufgeführt, hat mich immer an eine gute Mahlzeit erinnert, die- man mit zinnemen Löffeln zu verspeisen ge< nöthigt ist; bei schlechten Stücken und guten Schauspielern ist aber der Gegensatz weit greller und erzeugt den größten Widerwillen. Ich kenne die Phasen nicht, welche das Ham« burger.zweite Theater seit seiner Entstehung durchlaufen hat, bin aber der Meinung, daß seine gegenwärtige Richtung, wenn sie die herrschende werden soll oder bereits ist, eine höchst verderbliche genannt und zu den ent- sittenden Elementen gezählt werden muß, die die Bildung und das Gefühl des Volkes ver» giften. Die Nestroy'sche Posse an und für sich kann sich nicht rühmen, den Geschmack überhaupt vereinfacht und verbessert zu haben, so aber, wie sie hier auftritt, darf man sich nicht scheuen, ihr geradezu einen dcmorcili. sirenden Eindruck zuzuschreiben. Sie ist es, die in Verbindung mit der Schwärmerei für I f f l and der Moral den Gnadenstoß ertheilt und jenen zerfahrenen blasirten Zustand er» zeugt, den wir als das traurige Ergebniß moderner Biloung nicht bloß in einzelnen Individuen, sondern schon in ganzen Mas« sen zu beobachten und zu beklagen haben. Nestroy und I f f l and , das sind die beiden Pole, in deren Kreise der abgestorbene kalte Körper seine Zuckungen macht. Zwergfell und Thränendrüse, das sind die Endpuncte, auf die der Effect berechnet, über welche hin« aus keine höhere Aufgabe, kein würdigeres Ziel; jenes in Bewegung und diese in Fluß zu setzen, dazu wird kein Mittel zu schlecht
zurück zum  Buch Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Nabielak-Odelga, Band 20"
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich Nabielak-Odelga, Band 20
Titel
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Untertitel
Nabielak-Odelga
Band
20
Autor
Constant von Wurzbach
Verlag
Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
Ort
Wien
Datum
1869
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
13.41 x 21.45 cm
Seiten
514
Schlagwörter
Biographien, Lebensskizzen
Kategorien
Lexika Wurzbach-Lexikon
Web-Books
Bibliothek
Datenschutz
Impressum
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich