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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Nabielak-Odelga, Band 20
Seite - 224 -
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Meftroy 224 Nestroy gefunden.... Soll ich die Richtung benennen, die mir als Resultat jener beiden Factoren vorkommt, so finde ich keinen anderen Aus- druck für sie. als den des Sentimentalen und Zo t i gen , die Verschmelzung des Weinerlichen mit dem Gekicher. Das wahrhaft Tragische, wie das wahrhaft Ko. mische ist darüber in Verfall gerathen. Wer einer Nestroy'schen Posse auf dem zweiten Theater in Hamburg beigewohnt hat. der wird sich nicht mehr über die bekannte Lie» beserklärung. die zu Anfang des 18. Jahr» Hunderts in Paris in Gegenwart L o ui KX.IV. von Arlequin im insäsow KalHvt vorge« tragen und als das Gröbste der ungeschmück« ten Zote lange Zeit gehalten warb, wundern tonnen. Wenn jener zu seiner Geliebten sagte: ^N«.ä».iQe, vos ^enx lou.t xlu5 Äs hrnit 6,22,s !s eis!, gu^ mon blls vsutre sur Ik tsrrs, Huans 11 S5t lsmM äss vbntL", so lag in diesen Worten weiter keine Zweideutigkeit und keines Menschen Phanta« sie tonnte in diesem grobnaiven Witze Stoff zum frivolen Nachgrübeln entdecken; hinter dem Gelächter machte sich der natürliche Widerwille gegen solche Zusammenstellung geltend, und das Gefühl für das Schöne und Erhabene trat unangetastet und neube» lebt wieder hervor. Die Nestroy'sche Posse läßt solche Beispiele derber Komik weit hinter sich zurück und überbietet den Nach- beter Paul de Kock'S selbst durch ein bei» gemischtes Streben nach obscönen Zwei» deutigteiten und einer ihnen entsprechenden Mimik, die weit entfernt ihren Stoff aus irgend einer Blöße des öffentlichen Lebens, ihn vielmehr aus der lichtscheuen Region großstädtischer Laster und Untugenden in den Glanz der Theaterlampen zieht. Die drei» actige Posse: „Das Mädchen aus der Vor» ftadi" hatte zu ihrer eilften Vorstellung wiederum ein volles Haus; auf keinem Ma» trosenthwter können unverschämtere Anspie, lungen und schlüpfrigere Witze vorgebracht werden, als in dieser Posse, die zum eilften Male mit großem Applaus über die Bretter ging. In Paris und London wird es nicht verblümter und schwülstiger gegeben, wie hier. Ich will glauben, daß die vielen jugend» lichen Zuschauerinen längs des ersten Ranges nicht wußten, was sie thaten, wenn sie zu Dingen lachten, die selbst für Männer zum Erröthen waren; es scheint mir ab« nach einem Blicke in das Wesen des erwähnten VoltStheaters im hohen Grade Zeit, denen Gehör zu schenken, die vor dem gänzlichen Verfalle der sittlichen Volksbühne gewarnt haben. Der deutsche Pickelhäring, der un« barmherzig verbrannt und zu Grabe getragen ward, hat sich bitter gerächt; er selbst ist todt, aber sein Geist spukt unter den ver» schiedensten Formen und Gewändern hohnlä« chelnd umher. Statt mit boshafter Neckerei, mit roher Geißel und dem Pritschholze, schleicht er im eleganten Frack und äquivoker N?dens- art und glattzüngiger Schmeichelei vor dem Publicum auf und ab. Auch er ist zum Cava« lier geworden, zum Cavalier im Makintosh. Es ist zu betlagen, daß diejenigen Bühnen- dichter, die eine Reform des deutschen Thea- ters bezwecken, von dem Verfalle der Volts» bühne zu sehr überzeugt schienen, um nicht lieber von unten auf einen Reactionsproceß zu beginnen, statt ihn mehr von oben herab zu bewirken, und daß gerade da. wo die Em» pfänglichkeit für eine solche Reform am groß« ten ist, ihre Idee zu Grunde gehen muß, weil sich die eigentliche Volksbühne von Händen bedient sieht, die ohne Selbstkraft, immer noch ihre Zuflucht zur Nachbildung nehmen und vorzüglich dahin arbeiten, die deutsche Posse mit französischem Parfum zu betäuben und statt eines drastisch witzigen Principe der frivolen Lüsternheit zu fröhnen." So ein anerkannter deutscher Publicist über Nestroy vor einem Vierteljahrhundert, als dieser eben im Zenyth seines Schaffens und seiner darstellenden Kunst stand — Die Worte Wallner'Si der nicht, wie Schle- sier, bloß die Stücke Nestroy's. sondern diesen letzteren als Dichter, Schauspieler und als Menschen genau kannte, mögen das Voranstehende mildern und das Bild eines in jeder Hinsicht merkwürdigen Menschen vollenden helfen. Wal ln er schreibt aber über Nestroy: „Ein größeres Original, nach allen Richtungen hin, als Nestroy war, hatte die deutsche Bühne wohl nie aufzuweisen. Geistreich, wie Wenige, war er in Gesellschaft so scheu und wortkarg, daß man einen Dummkopf vor sich zu haben meinte, und nur dann und wann raunte er einem Freunde oder einem neben ihm sitzen« den näheren Bekannten ein Wihwort, meist sarkastischen Inhalts zu, welches an Schlagfertigkeit Alles übertraf, was im Ver. laufe mehrerer Stunden gesprochen worden war. Freilich sind fast alle diese Bonmots so cynischer Natur, daß sich die meisten nicht wieder erzählen lassen. Nestroy hat ein
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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich Nabielak-Odelga, Band 20
Titel
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Untertitel
Nabielak-Odelga
Band
20
Autor
Constant von Wurzbach
Verlag
Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
Ort
Wien
Datum
1869
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
13.41 x 21.45 cm
Seiten
514
Schlagwörter
Biographien, Lebensskizzen
Kategorien
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