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Neustadt 303 Neustadt
durchreisenden Notabilitäten in Kunst,
Literatur, Wissenschaft und Politik an-
zog. Wer Ungarn persönlich kennen
lernen wollte, machte einen Aufenthalt
bei dieser Einbruchstation, besonders als
die Dampflchifffahrt den Verkehr erleich.
terte, und N. beherbergte diese Gaste
oder war wenigstens ihr Cicerone; wer
Auskunft über Land und Leute, über
Verhältnisse und Bestrebungen der Par-
teien haben wollte, wandte sich brieflich
an N., der auf solche Weise namentlich
mit vielen Literaten Deutschlands in
Verbindung kam. Als der National.
ökonom List seine Ideen nach Ungarn
verpflanzen wollte, conferirte er täglich
wahrend seiner Anwesenheit in Preß-
bürg mit N. und manche seiner Phanta»
sien fanden in diesen Gesprächen ihre
Correctur. Der Hony»Verein belehrte den
Volkswirthschafter, auf welchem Boden
er sich bewege. Nun aber wurden die po<
litifchen Zeiten immer ernster, die Fragen
immer brennender und der Staatsmini«
ster Fürst Metternich wurde in Be-
Handlung der organischen Angelegenhei«
ten nur schwankender. Die Preßburger
Zeitung wurde gemaßregelt, weil man
in Wien die ganze Bewegung — ver>
schweigen wollte; der Verleger ließ
die einzelnen Blatter nach Oester»
reich und Wien schmuggeln, wo man
das lebhafteste Interesse, an den Debat»
ten des ungarischen LanbtageS und an
den Srpectorationen der magyarischen
Journale nahm. Selbst die „Pannonia"
wurde auf der Post confiscirt. weil sie
es gewagt hatte, dem Professor Rosas
zu oppomren. welcher die Juden von
der medicinischen Praxis ausschließen
wollte. N. leitete trotz dieser Gegen
strömungen die Blatter mit fester Hand,
so daß selbst die magyarischen Publizisten
ihre Anerkennung des Standpunctes aussprachen. Als die Ereignisse des
Jahres 4848 Ende Februar herein-
brachen, stand deßhalb N., von allen
Parteien Preßburgs geachtet, an der
Spitze; die „Pannonia" erschien zuerst
censurfrei. Der Referent für die Land-
tagsdebatten, Banya von I l l o s f a l va
(spater Honvod-Oberst. starb, als Polizei«
director in Constantmopel) brachte N.
im Namen des Präsidiums die Auffor-
derung. in die stch bildende Bürgergarde'
einzutreten, d. h. Schnürrock. Kalpak
und Säbel anzulegen. Sr. kais. Hoheit
der Erzherzog.Palatin berief N. und
ersuchte, in Berücksichtigung der Zustände,
bei der plötzlichen Aufhebung der Censur,
Mäßigung zu beobachten. Die Juden-
gemeinde Preßburgs. für welche die
Preßburger Zeitung stets in Wort und,
That eingetreten war, ersuchte N., nach-
dem sich drohende Merkmale im Pöbel
zeigten, die Vorstandschaft zu überireh.
men und Vorkehrungen gegen Gehässig,
keiten oder noch Schlimmeres zu treffen.
Die Zuraten stellten sich auch N. zur
Disposition. Allein die Nachrichten aus
Wien Mitte März fachten die Flammen
der Revolution an, die wilden Elemente
waren nicht mehr zu bewältigen und
Preßdurg erlebte das Brandmal einer
Plünderung der Iudenstadt. N. wandte
sich persönlich an den Oberststallmeister
Grafen Zichy und an den zur höchsten
Macht emporklimmenden Volksmann
Kossuth; nirgend war eine Abhilfe
in Aussicht gestellt, die populärsten Füh-
rer waren schon ohnmächtig. Das eAe
Opfer, welches der Pöbel suchte, war der
allgemein gekannte N., und auf Andran»
gen mehrerer Bürger. welche das
Schlimmste befürchteten, verließ er die
Stadt und seinen achtjährigen Wirkungs«
kreis. Wien fiaggte im Jubel der erlang-
ten Constitution. N. wurde sofort von
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Nabielak-Odelga, Band 20
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Nabielak-Odelga
- Band
- 20
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1869
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 514
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon